ORTHODOX

Baal

Baal war eine Gottheit des Morgenlands, beziehungsweise ein Titel für die obersten Gottheiten, wie für den Gott der Fruchtbarkeit, des Wetters oder der Berge. „Baal“ ist hebräisch und bedeutet zugleich „Meister“, „König“ oder eben „Gott“.

Dann kam die totale Vormachtstellung des Abendlands, mit seinem vom Christentum abgeleiteten kulturell-religiösen Überlegenheitsgefühl und seiner Intoleranz gegenüber „heidnischen“ Kulturen.

Seitdem war Baal ein Konkurrent und wurde zu einem Dämon degradiert; einem entstellten, abstoßenden Wesen mit drei Köpfen, dem eines Menschen, einer Kröte und einer Katze, gesetzt auf eine menschliche Brust und mit den Körper einer Spinne.

Eine Missgestalt, die zwar immer noch König sein, allerdings nur in der Hölle regieren darf, als Assistent des Satans. Eine Kreatur des Widerspruchs, die sich somit perfekt als Titel und Thematik für das vierte Album von ORTHODOX eignet.

Allein schon der Widerspruch zum Bandnamen, dieser Sarkasmus, die Spucke im Gesicht derer, denen alles heilig ist, allein schon dies zeigt den fehlenden Willen, sich irgendwo einzuordnen.

Startete dieses Trio aus Sevilla als klassische Doom Metal-Band, so wurde diese Limitierung schon auf ihrem zweiten Werk, „Amanecer En Puerta Oscura“, gebrochen, deren Ausflüge in jazzige und andere Gefilde die Szene zu spalten vermochten.

Obgleich das mystische Monster „Baal“ widersprüchlich wirkt, so tut es die Musik – trotz ihrer Grenzüberschreitung – hier weniger. ORTHODOX haben erstmalig die Waage finden können zwischen Eingängigkeit und Ausschweifung, zwischen verzerrter Brachialität und wildem Tribaldrumming, zwischen bluesigen Doom-Riffs und exotischen Tonleitern.

Vernunft und Wahnsinn wurden in Einklang gebracht und zudem ein Atmosphäre erschaffen, die für Gänsehaut sorgt. So fühlt man sich vor allem bei den düsteren, ruhigen Stellen, als wandle man durch staubige, antike Zeiten voller Mythen und Wunder – wo Baal in seiner hässlichen Gestalt hinter jedem Stein lauern könnte.