TALK TALK

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Mark Hollis ist die perfekte Verkörperung des introvertierten, weltabgewandten musikalischen Genies mit durchaus kapriziösen Anwandlungen, speziell in der Schlussphase von TALK TALK, als sein perfektionierender Manierismus die restlichen Bandmitglieder in die Verzweiflung trieb, was dann auch eine Ursache für die Bandauflösung 1991 war.

Nicht zuletzt wegen der verkopften Herangehensweise beim letzten Album „Laughing Stock“ erschien es auf dem Jazzlabel Verve. Die musikalischen Eskapaden von Mark Hollis waren so vielseitig und speziell, dass er ein Werk geschaffen hat, das von der intelligentesten – mitunter sehr selbstironischen Form – von Achtziger-Jahre-Pop in Gestalt von „It’s My Life“ (1982) bis hin zum Album „Spirit Of Eden“ (1988) reichte, an dem sich sämtliche Geister scheiden sollten.

Hollis konnte nonchalant Pop-Hits aus dem Ärmel schütteln und er konnte perfekten und filigranen Kammerpop abliefern, der die selbsternannten Experten in die Interpretationsdiaspora entlassen sollte.

Mark Hollis lotete Untiefen aus und mutete Fans (und nicht zuletzt auch seinen Musikern) sehr viel zu. Diese Eigenschaften teilte er mit Miles Davis. In der Schlussphase von TALK TALK hatten viele die „Hoffnung“, Hollis könnte sich wieder fangen und flockige Hits für den Spätsommer schreiben.

Doch er enttäuschte die meisten und kam einige Jahre nach der Auflösung von TALK TALK mit seinem selbstbetitelten Soloalbum zurück. Er bescherte einen Sound, der selbst Scott Walker oder Steve Wyatt wie polternde und schlichte Naturen aussehen ließ.

Ursprünglich wollte Hollis sein 1998 erschienenes Album „Mountains Of The Moon“ nennen, aber dies ließ schon zu viel Interpretationsspielraum jenseits der extrem skelettierten Musik zu. Seine Stimme und das Instrumentengeflecht waren so fragil und reduziert, dass man glauben musste, der Mann hatte sein eigenes Requiem geschrieben.

Und so war es dann fast auch: nach diesem Album zog sich Hollis konsequent und vollständig aus dem öffentlichen Leben auf sein Landgut in England zurück. Keine Presse und Öffentlichkeit mehr (bis heute).

Ob Mark Hollis die Post-Rock-Liga um TORTOISE beeinflusst hat, scheint als belastbare Hypothese durchzugehen, dass er selbst am Ende seines musikalischen Schaffens Klangwelten von Debussy, Boulez und Stockhausen folgte, steht indes außer Frage.

Respekt für einen einmaligen Musiker mit Tiefe und unvergleichlichen Talenten. „Tomorrow started“ von TALK TALK Live in Rotterdam 1984 – ein emotionales und eindringliches „Spektakel“.