ANAL CUNT

The Old Testament 1988-1991

Einige Reviews gehen leicht von der Hand, andere – wie dieses – erfordern zähe Arbeit und quälen bei der richtigen Wortwahl. ANAL CUNT waren zu jener Zeit, die diese um viele unveröffentlichte Songs erweiterte Zusammenstellung „The Old Testament“ umfasst, für absolut kompromisslosen Noise-Core bekannt.

Jahre später sollte Bandleader Seth Putnam einem – je nach Sichtweise – Drogenexperiment oder Suizidversuch zum Opfer fallen, als dessen Folge er über Monate im Koma lag, dann zunächst im Rollstuhl performte, um letztendlich am 11.06.2011 an einem Herzschlag zu versterben.

Putnam ist nicht unumstritten. Vorwürfe von Sexismus und Rassismus werden im Zusammenhang mit seinem Namen im Sekundentakt abgefeuert, aber diese kommen bei näherer Betrachtung eigentlich nie von denjenigen, die ihn persönlich kannten oder mit ihm zusammenarbeiteten, sondern aus der Ferne.

Als hochintelligent und Meister der Provokation wird er posthum von einer ganzen Reihe bekannter Grindcore-Veteranen bezeichnet. Ob aber seine Beteiligung an VAGINAL JESUS, die eine CD mit brennendem Hakenkreuz und bis zur Karikatur grotesken Hasstexten über Schwarze auf einem Nazi-Label veröffentlichten, die ultimative Provokation, dumpfer Amerikanismus oder einfach Folge eines Hirnschadens ist, vermag ich nicht zu beurteilen.

ANAL CUNT sollten die krasseste und shittiest (Zitat Putnam) Band aller Zeiten werden. Mit sekundenlangen gespielten Witzen, nie geprobt, nie mit Text, aber mit Geschrei und Gegrunze garniert und brillanten Einfällen, wie 5.643 Songs auf eine 7“ zu pressen, indem immer 16 Songs gleichzeitig laufen, haben ANAL CUNT Musikgeschichte geschrieben und Grindcore wäre ohne ANAL CUNT vermutlich nicht so kompromisslos, wie er heute ist.

Den Menschen Seth Putnam abzuurteilen, steht mir bei meinem begrenzten Wissen über ihn nicht zu, was ich allerdings nicht als rechte Tendenz meinerseits oder dieser Gazette hier interpretiert haben möchte.