DEAD ENDING

s/t

Ein vertraut wirkendes Logo ziert das Cover dieses 5-Song-Mini-Albums: nur popkulturell ungebildete Menschen denken hier nicht sofort an das markante EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN-Logo, das sich, auf die Seite gedreht, als die Buchstaben D und E entschlüsseln lässt.

Musikalisch freilich könnte man nicht falscher liegen: DEAD ENDING sind das neueste Bandprojekt um Vic Bondi (ARTICLES OF FAITH, JONES VERY, ALLOY, WEATHERMAN, REPORT SUSPICIOUS ACTIVITY), und wer die Chance hatte, den Mittvierziger in letzter Zeit mal live zu sehen (2010 gab es eine kurze AOF-Reunion), der weiß, dass Bondi zwar älter und klüger, aber kein Stück weniger wütend geworden ist.

Er ist für mich der archetypische Hardcore-Sänger, sein kehlig-heiseres Gebrüll ist h von blaupausenhafter Qualität – denke ich an Hardcore, wie er mir heilig ist, habe ich seine Stimme im Ohr.

Nachdem er zuletzt mit REPORT SUSPICIOUS ACTIVITY (mit dabei: J Robbins) eine über den Projektcharakter hinausgehende Band hatte, die leider letztlich versandete, hat er sich mit DEAD ENDING nun ein neues künstlerisches Ventil gesucht.

Jeff Dean (Gitarre, unter anderem THE BOMB), Derek Grant (Drums, ALKALINE TRIO) und Joe Principe (Bass, RISE AGAINST) sind seine sämtlich ebenfalls aus Chicago stammenden Mitstreiter, doch Bondi gibt durch sein markantes Organ und seine vorherigen Bands klar die Richtung vor.

Ob die Band, bedingt durch die anderweitigen Verpflichtungen der Beteiligten, mehr ist als nur ein Projekt ist, wird sich zeigen müssen, immerhin gaben sie im Frühjahr 2012 beim „Punk Rock Bowling“-Festival in Las Vegas ihr Live-Debüt.

Dass den gerade mal etwas mehr als zehn Minuten laufenden Nummern der 5-Song-EP, die ausschließlich im Vinylformat (plus Download) erschienen ist, bald ein ganzes Album und am Ende gar eine Europatour folgt, ist zu hoffen.

Musikalisch sind DEAD ENDING zeitlos, frei von modischen Deformationen, kein Nostalgietrip der Marke OFF!, sondern schlicht die oberste Evolutionsstufe, die man in Sachen melodiös-wütender Hardcore erreichen kann: was vor zehn, vor 15, vor 20 Jahren gut war, ist das auch heute noch und muss (und wird) in fünf Jahren nicht anders klingen.

Es ist Minderheitenmusik, wie das bei von Modeerscheinungen freien (Neo-)Klassikern eben so ist, und dass Hardcore zwingend für Inhalte steht, ist bei einer unter Führung von Vic Bondi stehenden Band sowieso klar.

So gesehen setzt der studierte Historiker die RSA-Linie fort, ereifert sich über die tiefgreifenden Umwälzungen, die mit der Bankenkrise über die Amerikaner (und die Welt) hereinbrachen („Ninety-Nine“), kotzt sich in „This is a stick-up“ über die unkontrollierbaren Großkonzerne aus („The rights of corporations without any regulation but the lobbyist protection [...] Paid promotional apologists are mocking all scientists amd murdering our ideals“), blickt in „All the way down“ in eine düstere Zukunft, übt in „Wasted“ (kein Cover) grundsätzliche Zivilisationskritik.

Ja, „da draußen“ sind Bands, die die Gedanken der Occupy-Bewegung aufgreifen, nur scheinen Protestsongs keinen zu interessieren – wer kritisieren könnte und gehört wird, schreibt lieber Fußball-Grölstampfer.