BOXHAMSTERS

Wir Kinder aus Bullerbü

1987 haben sie sich in Gießen gegründet, 2012 sind sie immer noch aktiv, und so gibt’s zur „Silberhochzeit“ nicht nur zwei neue Singles, sondern auch die Neuauflage des „Wir Kinder aus Bullerbü“-Albums als LP und CD.

1988 wurde die Platte aufgenommen, 1988 begann ich meinen Zivildienst, lernte während des Zivi-Seminars diesen langhaarigen Grindcore-Typen kennen (auf dessen Hochzeit ich im Oktober 2012 eingeladen bin), wir wurden Freunde, und der spielte mir dann diese Platte vor, BOXHAMSTERS hieß die Band.

Irgendwas gefiel mir an dieser Band, in Düsseldorf bei der ersten PopKomm sah ich sie dann live, und im Gegensatz zu NORMAHL fand ich sie interessant, aber nicht begeisternd. 1990 kam dann „Der göttliche Imperator“, mit „Zu klein“ hatten sie mich begeistert, sie spielten in Donauwörth, wir hin und für Ox #08 ein Interview gemacht.

Der Beginn einer langen Freundschaft, die dazu führte, dass die „Boxies“ für Uschi und mich mit weit mehr als 50 Konzerten die wohl am öftesten live gesehene Band sind (höchstens EA80 kommen da noch ran).

„Wir Kinder aus Bullerbü“ ist im Rückblick ein zwiespältiges Album: Da sind all diese Lieder, die man so oft gehört, dass man sie im Schlaf mitsingen kann, die bis heute im Programm sind, die mit der Band, mit uns gealtert sind, sich verändert haben, und die deshalb auf Platte seltsam anders klingen, ja, man merkt hier und da, wie jung die Band damals war.

„Verwirrt“ etwa ist noch ziemlich rumpelpunkig und uffta, aber dann ist da auch „In dieser Zeit“, FEHLFARBEN-Verehrung pur, oder „Prost Neujahr Jr.“, eine kleine Verneigung vor DINOSAUR JR.

(und der Fachmann erkannte schnell, dass das „Bullerbü“ des Albumtitels auf der Rückseite in Anlehnung an das HÜSKER DÜ-Logo gestaltet wurde), „Das Darlehn“ (später für eine Ox-Compilation nochmal neu eingespielt) war ziemlich Hardcore, „Unfallflucht“ das Bekenntnis zu einer Straftat und dem Hang zum alkoholisierten Führen eines Kraftfahrzeugs seitens Sänger/Gitarrist Co geschuldet, und „WostehtdieUhr?“ ist „My generation“ in anders.

Die BOXHAMSTERS, und das war ihnen seinerzeit nicht bewusst, traten damals etwas Neues los. Sie waren eigentlich ja „nur“ eine weitere deutschsprachige Punkband, und deutscher Punk hatte damals seine besten Tage hinter sich („Funpunk“ grassierte ...), und gleichzeitig hatten sie eben bei FEHLFARBEN, HÜSKER DÜ, THE WHO und vielen anderen gut aufgepasst, Co war (und ist) zudem ein sehr gewandter Texter, und so wurden sie einige Jahre später selbst zur Vorlage für Bands, die viel erfolgreicher wurden.

TOCOTRONIC etwa konnten mich nie begeistern, sie klangen für mich immer wie eine nicht so gute BOXHAMSTERS-Kopie, von den grotesk überbewerteten TOMTE ganz zu schweigen. MUFF POTTER ohne BOXHAMSTERS? Undenkbar! Die BOXHAMSTERS hatten jenseits der völlig autark agierenden EA80 gezeigt, dass Punk mit deutschen Texten jenseits von Schlappiro-Deutschpunk möglich ist.

Und das fand damals sogar jenes Musikmagazin namens „Spex“ interessant, das in grauer Vorzeit im Gegensatz zu heute noch eine gewisse popkulturelle Deutungshoheit hatte. Die Neuauflage des Albums kommt ohne Bonustracks, aber mit allen Texten im Booklet.