THERMALS

Desperate Ground

Ruhm und Ehre? Verkaufszahlen? Geschmack der breiten Masse? Drauf geschissen. Manchem macht Erfolg scheinbar Angst. Also treten die THERMALS die Flucht nach vorn an, wechseln von Kill Rock Stars in Olympia, Washington zu Saddle Creek nach Omaha, Nebraska.

Um noch einmal neu zu starten vielleicht. Oder sich auf alte Werte zu besinnen. Oder beides gleichzeitig. Zum Einstand zerfetzen die THERMALS ihren auf Kill Rock Stars erworbenen Softie-Ruf ganz zielsicher und systematisch.

Wer von „Desperate Ground“ ein zweites „Personal Life“ oder „Now We Can See“ erwartet, wird sicherlich enttäuscht sein, „Desperate Ground“ geht einen anderen Weg und versucht, an den frühen, rohen Stil von „The Body, The Blood, The Machine“ anzuknüpfen.

Hutch Harris’ Stimme nölt dauerverzerrt bis an die Schmerzgrenze, die Aufnahmen sind klanglich konsequent Lo(No?)Fi aufgearbeitet, die Akkordzahl ist radikal ur-punkig auf ein Minimum reduziert und die Texte metzeln sich mit einer dicken Blutspur und massig Pathos durch das Album: „I was born to kill / I was made to slay / Unafraid to spill / Blood on the land / When you command I will“ oder „Our love destroys, from the cities we burn / To the fools we betray / Our love survives, it will always be / No matter if we die, we will live eternally“.

Um das zu deuten, braucht man sicherlich keinen Doktorgrad in Philosophie, der Sinn sitzt recht dicht an der Oberfläche, Missverständnisse will man wohl ausschließen. Es folgt eine mit brutal-kitschigen Geschichten über Wut, Unterdrückung, Aufbegehren, Liebe und Tod prall gefüllte halbe Stunde, untermalt von einer energiegeladenen, melodischen Ursuppe aus schrammelnden Punkrock-Riffs.

Alles ganz normal? Ein bisschen zu viel Isengard vielleicht. Optisch weitergeführt blutet sich Sänger Harris knapp zwei Minuten lang im Feinrippunterhemd durch den Clip zu dem hämmernden Ohrwurm „Born to kill“, wird von seinen Agenten-Bandmates Kathy Foster und Westin Glass angebrüllt, geschlagen, gejagt, mit Waffen bedroht.

Immer mitten in die Fresse rein. Und Gewalt erzeugt Gegengewalt, hat man dir das nicht erklärt? Es spritzt und brüllt reichlich, die ganze fiese Sülle muss einfach mal raus. Kein Wunder, dass das Water Music Recorders Studio in Hoboken kurz nach den Aufnahmen zu „Desperate Ground“ unter John Agnellos Führung (DINOSAUR JR., SONIC YOUTH) von Hurricane „Sandy“ in Schutt und Asche gelegt wurde.

Tabula rasa. Eigentlich aber eher der Versuch, zurück zu den eigenen Wurzeln zu gelangen. Das ist schön und schade zugleich. Vielleicht sollten die drei für das nächste Album darüber nachdenken, doch eher einen Mittelweg zwischen ihren Kill Rock Star- und ihren Sub Pop-Alben zu wählen, und den Brutalo-Politkitsch-Anteil wieder ein wenig herunterzufahren.

Oder die Politdimension der Texte qualitativ wieder auf das Niveau von „The Body, The Blood, The Machine“ zu hieven. „No culture icons“? Was viele mögen, muss ja nicht zwangsläufig immer schlecht sein.

Gegen die eigene Weiterentwicklung zu arbeiten ist schließlich auch alles andere als zielführend. Oder gibt es am Ende überhaupt kein Ziel?