BLACK FLAG

What The ...

Ich wette, ohne Keith Morris und OFF! hätte es dieses Album nie gegeben. Es muss Greg Ginn enorm gewurmt haben, dass es dem ersten Sänger seiner Band gelungen war, aus dem Stand eine Revival-Band international zu etablieren und für Songs und einen Sound gefeiert zu werden, die ein klarer Rückgriff auf die frühen Tage von BLACK FLAG sind.

OFF!, und das ist das Geheimnis ihres Erfolges, klingen genau so, wie man als Vier-Balken-Logo-Verehrer BLACK FLAG klanglich abgespeichert hat: „Six pack“, „TV party“, „Nervous breakdown“, und so weiter.

Sie klingen nicht wie die späten BLACK FLAG, die mit frickeligem, kantigem, gniedeligen Songs zwar handwerklich beeindruckten, aber eigentlich doch eher die Platten machten, die in Zeiten, als man Musik oft erst dann hören konnte, wenn die Scheibe auf dem Plattenspieler lag, junge Punks nicht selten zu Fehlkäufen brachten: „Das sollen BLACK FLAG sein? Mist ...

ich wollte doch Hardcore hören ...“ Greg Ginn war und ist ein begnadeter Musiker, er umgab und umgibt sich mit Menschen, die ihr Handwerk verstehen, und neben Ron Reyes als Sänger sind das anno 2013 Gregory (A)Moore als Drummer (der Ginn lange Jahre in dessen Band GONE begleitete) und ein gewisser Dale Nixon am Bass – Ginn selbst steckt hinter diesem bereits in der Vergangenheit verwendeten Pseudonym.

Diese Dreierbesetzung spielte nun das erste neue BLACK FLAG-Album seit „In My Head“ von 1985 ein, und „What The ...“ ist mit 22 Songs und knapp 44 Minuten Spielzeit kein Leichtgewicht, kein Schnellschuss.

Ginn hat sich nach Jahren, in denen er wie ein Geist wirkte und nur sporadisch in Erscheinung trat, sich musikalisch mit THE TAYLOR TEXAS CORRUGATORS und THE ROYAL WE auf Terrain bewegte, auf das ihm nur 100% devote SST Records-Fans folgten, mit der Wiederbelebung des Markennamens BLACK FLAG zurück auf die Bühne und ins Licht der Punk/Hardcore-Szene begeben.

Wie eingangs geschrieben, vermute ich als (Teil-)Motivation sowas wie gekränkte Eitelkeit, denn ganz offensichtlich will sich der kreative, musikalische Kopf von BLACK FLAG (damals wie heute) nicht die Deutungshoheit über sein Lebenswerk aus der Hand nehmen lassen.

Entsprechend klingen BLACK FLAG angesichts des Bass- und Gitarrenspiels von Ginn eindeutig wie diese, und Ron Reyes macht auf Platte einen besseren Eindruck als live, kann allerdings nicht an die gesanglichen Fähigkeiten von Morris und Rollins anknüpfen.

Mit 22 Songs ist das Album lang und anstrengend, 2/3 der Stücke hätten auch gereicht, doch wenn man sich mal reingehört hat (und das braucht drei, vier Durchläufe) merkt man allmählich, dass Ginn seine musikalische Vision immer noch zielstrebig verfolgt, und auch wenn ein paar Nummern die erwarteten sperrigen Brocken sind, sind doch auch Brecher alter Schule wie „Go away“ oder „Blood and ashes“ dabei, die schnell ins Ohr gehen.

„What The ...“ ist kein leichtes Album, OFF! sind im direkten Vergleich simpler und zugänglicher, aber es ist ein überlegtes, sehr solides Comeback-Album. Die Ausstattung der CD ist so schäbig, wie man das von Ginns Label SST kennt: als Cover muss eine einseitig bedruckte Karte reichen, und das Artwork selbst ...

nun ja. Ginns Bruder Raymond Pettibon ist eben schon mit OFF! im Geschäft.