STEVE IGNORANT WITH PARANOID VISIONS

When ...?

Man sollte den Bandnamen nicht falsch interpretieren: Steve Ignorant leidet nicht unter paranoiden Visionen, der frühere Sänger von CRASS hat vielmehr zusammen mit der irischen Punkband PARANOID VISIONS ein Album aufgenommen.

PARANOID VISIONS gründeten sich 1981in Dublin, waren Teil der dortigen Anarchopunk-Szene und hatten im Laufe der Achtziger zunehmend Erfolg. 1992 lösten sie sich auf und kamen in den nächsten Jahren nur sporadisch wieder zusammen.

2005 kam die Reunion und 2012 mit „Escape From The Austerity Complex“ ein höchst politisches Album, wofür es angesichts der politischen und wirtschaftlichen Situation in Irland auch reichlich Gründe gab.

Unter den Studiogästen war auch Steve Ignorant, und offenbar gestaltete sich die Zusammenarbeit so erfreulich, dass man nun ein komplettes Album zusammen einspielte, nachdem Steve ja zuletzt mit THE LAST SUPPER als Backing-Band aktiv gewesen war.

Stilistisch waren sich PARANOID VISIONS und CRASS in ihren frühen Jahren recht ähnlich, erstere schlugen dann aber einen etwas gothlastigeren Kurs ein, während CRASS eher experimentellere Klänge bevorzugten.

Mit „When ...?“ schließt sich nun ein Kreis, denn 1979 schrieb ein 13 Jahre alter Punk namens Peter einen Brief an die von ihm verehrte Band CRASS – und bekam eine Antwort, von Steve. Zwei Jahre später war er unter dem Pseudonym P.A.

Gitarrist seiner eigenen Band, die er zusammen mit Sängerin Deko Dachau (damals war es noch eine gute Punk-Tradition, sich möglichst provokante „Kampfnamen“ zuzulegen) gegründet hatte, und dass nun über dreißig Jahre später jener Steve Ignorant im Duett mit Deko bei PARANOID VISIONS singt (weitere Gesangsbeiträge stammen von Sarah Bellum und Aoife Destruction), macht ehrlich gesagt mehr Sinn als eine neue Platte von Ignorant.

Den Anstoß dazu gab letztlich 2010 der Gastauftritt von Steve beim PARANOID VISIONS-Set im Rahmen der Quasi-CRASS-Konzerte, die dieser 2007 und 2010 spielte. Wie schon erwähnt, gibt es im Irland des Jahres 2013 eine Menge Gründe, wütend zu sein, und dazu gehört auch das „Nationalheiligtum“ Bono Vox von U2, dem man sich in „Charity begins at home“ widmet, einer Anklage an scheinheilige „gemeinnützige“ Organisationen, die vor allem an gutbezahlten Stellen für die eigene Führungseben interessiert sind, ganz zu schweigen davon, dass U2 schon lange ihre Steuern im günstigeren Holland zahlen.

Mit U2 verbindet PARANOID VISIONS sowieso eine alte Feindschaft, schon 1987 starteten sie die „FOAD2U2“-Kampagne („Fuck off and die to U2“) und sprühten die irische Hauptstadt mit der Abkürzung zu.

Der überzeugte Christ Bono war eben schon immer vor allem scheinheilig. Aber auch Szene-Themen sind PV einen Text wert, in „Changing times“ beklagen sie die Konformität der heutigen Punk-Szene, die mehr Spaß am Konsum habe als an Veränderung, geschweige denn gewalttätigem Protest – man könnte sich ja die Frisur ruinieren ...

„When ...?“ ruft Erinnerungen an die Achtziger wach, überzeugt aber über die ganze Länge und kommt unnostalgisch daher. Wer klassischen Anarchopunk schätzt, wird begeistert sein. (Diese Band war auf der Ox-CD #111 zu hören.)