CHAIN & THE GANG

Minimum Rock’n’Roll

Ian Svenonius ist ein weiterer Beleg für die visionäre Kraft, die von vielen Bands eines der wichtigsten US-Underground-Labels, Dischord Records, immer ausging. Der THE NATION OF ULYSSES-Sänger gab dort 1991 mit „13-Point Program To Destroy America“ seinen Einstand.

Die Rock’n’Roll-Band machte es damals Hardcore-Puristen durch den Einsatz von Trompete, Free-Jazz- und Noise-Ausflügen nicht leicht. Schwere Kost, aber konsumierbar. Vor allem aber die politische Dimension hob sie von anderen ab: Ulysses Speaks hieß das Zine der Band, in dem sie in acht Ausgaben – wie in ihren Linernotes – radikale politische Ansichten vertraten.

Für Dennis Lyxzén hatte dies wohl immensen Vorbildcharakter, schon bei REFUSED lieh er sich Svenonius’ Ideen, bediente sich die sieben Jahre jüngere „The Shape Of Punk To Come“ doch eines ähnlichen visuellen Stils, langer und deklamatorisch anmutender Songtitel und der selben revolutionären Rhetorik.

Offensichtlicher wurde es bei THE MAKE-UP, Svenonius’ wohl bisher poppigster Band mit souligem, vom Gospel beeinflussten Sound, die vier Studio-, zwei Live-Platten und diverse andere Formate auf verschiedenen Labels veröffentlichte.

Denen eiferte Lyxzén mit seiner Nachfolgeband THE (INTERNATIONAL) NOISE CONSPIRACY offen nach, imitierte Bühnenlook und Sound und machte selbigen für ein Massenpublikum kompatibel. Eine Geschichte, die das Musikbiz schon zu Genüge geschrieben hat: Originale geraten in Vergessenheit, während andere mit abgekupferten Bandkonzepten kommerzielle Erfolge feiern.

Der sehr gebildete, exzentrisch anmutende Entertainer und zeitweilige Web-Talkshow-Host („Soft Focus“) Svenonius machte weiter Musik mit den Bands WEIRD WAR respektive SCENE CREAMERS und nach „Down With Liberty ...

Up With Chains“ (2009), „Music’s Not For Everyone“ (2011) und „In Cool Blood“ (2012) ist das nun schon die vierte LP von CHAIN & THE GANG. Deren Kopf ist Ian selbst, während er eine Schar Musiker um sich versammelt – ein loses und sich ständig änderndes Line-up, das seine Version vom Gospel, Soul- und Motown-beeinflussten Rock’n‘Roll mit politischer Motivation weiterträgt.

Ob Zufall oder nicht, aber „Minimum Rock’n’Roll“ ist als Titel dabei sehr passend, da es den minimalistisch-garagigen Charakter der Band, die live durch Svenonius’ Entertainerqualitäten so richtig aufblüht, perfekt auf den Punkt bringt.

Dazu passend schafft es auch nur ein Track über die Drei-Minuten-Grenze, sonst bleibt es bei durchschnittlich zweiminütigen Songs. Markantes Merkmal bleibt sein charismatisch exaltierter Gesang (wie gewohnt sein überdreht geshoutetes „Yeh! Yeh!“), der von einer weiblichen Stimme komplettiert wird und ein subtiler, eigenartig massenuntauglicher Pop-Appeal („Never been properly loved“, „What are you in here for?“).

Von Svenonius’ bisherigem musikalischen Schaffen sind auch C&TG nicht abzukoppeln, zu augenscheinlich tritt er selbst als roter Faden all seiner Bands in Erscheinung, und trotzdem gelingt es ihnen, immer wieder anders zu klingen und sich nicht selbst zu kopieren.

Meisterhaft, ungewöhnlich, fernab jeglicher Trends. Danke!