LAIBACH

Spectre

Vor ein paar Tagen sah ich LAIBACH live, seitdem bekomme ich die gepfiffene Melodie von „The whistleblowers“ nicht mehr aus dem Kopf – und jener Song ist auch der Opener des ersten neuen Studioalbums, das die legendäre slowenische Band seit acht Jahren veröffentlicht hat.

Erstaunlich zugänglich präsentiert sich die Band live wie auf Platte, die harten, von Industrial und EBM geprägten Klassiker wurden live ans Ende des Programms gepackt, vorher machten sich die slowenischen „Wölfe, verkleidet als Schafhirten“ daran, ihre Botschaft so eingängig wie selten zuvor mit getragener, bombastischer, latent souliger (Anti-)Pop-Musik in die Welt zu tragen.

Das funktioniert live so gut wie auf dem Album, und manchmal gefriert einem das Blut in den Adern, wenn LAIBACH, die den Zerfall Jugoslawiens und den sich anschließenden Krieg am eigenen Leib erlebten, die Situation in Europa mit „Eurovision“ dystopisch kommentieren: „In the absence of war we are questioning peace / In the absence of god we all pray to police / Oceans of people, oceans of souls ...“, heißt es da, und dann donnert der Refrain: „Europe is falling apart“ – das ist nicht der Soundtrack zu populistischem Euro-Bashing, das kann man vielmehr als Statement für ein gemeinsames Europa interpretieren, wobei das mit der Interpretation bei LAIBACH ja immer so eine Sache ist ...

So sparsam die Texte von LAIBACH auch sind, ihre Kunst ist die Reduktion, sind Slogans und Catchphrases, und man könnte natürlich über die Diktatoren der Welt seitenlange Abhandlungen schreiben, „Bossanova“ bringt es aber auf den Punkt: I want torture / Arms and corporations / No control, president or parliament / Feed my hunger with poverty / Feed my anger with children / Feed my lust with bikini food! / Feed my ego with luxury / I’m having a good time / And I want my nation to break down!“ – Venezuela? Syrien? Kasachstan? Ukraine? Mit „Spectre“ ist LAIBACH ein wirklich großer Wurf gelungen, ein so eingängiges wie düsteres, dystopisches, aufrüttelndes Album, dessen musikalische Stärke auch in den orchestralen Arrangements von Slavko Avsenik Jr.

liegt, übrigens der Sohn jenes Herrn, der mit seinen Oberkrainern einst die Schallplattensammlungen unserer Großeltern beherrschte.