V.A.

Sombras. Spanish Post-Punk and Dark Pop 1981-1986

Nach dem Ende der faschistischen Franco-Diktatur Mitte der Siebziger bahnte sich die lange unterdrückte Kreativität der jungen Generation ihren Weg, in allen Bereichen künstlerischen Ausdrucks: Musik, Film, Literatur, Kunst ...

„La Movida Madrileña“ wurde sie genannt, abgekürzt Movida, und sie war partiell die Entsprechung zur Post-Punk-Kultur respektive New Wave und Neue Deutsche Welle – und wird von vielen Beteiligten als einschränkender Begriff abgelehnt.

Entsprechend beginnen die umfangreichen Linernotes, die Jesús Rodríguez Lenin zu dieser Compilation verfasst hat, auch mit den Worten. „That damn ,Movida‘ ...“. „Sombras“, also „Schatten“, dokumentiert die spanische Post-Punk- und Dark-Pop-Szene Anfang/Mitte der Achtziger, die in allen großen spanischen Städten Vertreter hatte.

Diese Bands ließen sich musikalisch wie optisch beeinflussen von den britischen Post-Punk-, Goth- und New Wave-Bands jener Jahre, aber auch von den experimentellen deutschen Bands dieser Zeit, die Punk hinter sich gelassen hatten und nichts mit dem weichgespülten späteren NDW zu tun haben wollten.

Angereichert um eigene kulturelle Einflüsse und mit Texten offensichtlich ausschließlich auf Spanisch grenzten sie sich von der simpel wirkenden spanischen Punk-Szene ab und schufen eine sehr diverse eigene Szene, die sich stilistisch denkbar weit auffächerte: von klassischem Wave bis hin zu vom New Yorker Underground der Mittsiebziger beeinflussten Sounds und experimentellen, künstlerisch ambitionierten Klängen reicht das, was auf dieser Doppel-CD mittels 44 Stücken von genauso vielen Bands dokumentiert wird.

Hat man es bei Compilations zum britischen, zum US- oder zum deutschen Underground jener Jahre mittlerweile als halbwegs Eingeweihter mit immer den gleichen Bands zu tun, kennt man irgendwann zwangsläufig alles, tun sich hier aber Welten auf: ich schätze, von Bands wie ALPHAVILLE (nicht die deutsche Band ...), DESECHABLES, ALASKA Y LOS PEGAMOIDES, CLAUSTROFOBIA, BEIRUT LA NOCHE, AVIADOR DRO Y SUS OBREROS ESPECIALIZADOS, NEW BUILDINGS, V2 BERLIN oder CARMINA BURANA dürften die wenigsten Menschen, die sich nicht explizit für die Subkultur der iberischen Halbinsel interessieren, jemals gehört haben.

Hinderlich dürfte zudem die Sprachbarriere sein, denn im Gegensatz zur anglophonen Musikwelt führt die spanischsprachige doch von jeher ein eher abgekapseltes Dasein, ohne Sprachkenntnisse bleiben viele Türen verschlossen.

Und davon abgesehen: die Platten jener Jahre, die in meist recht kleiner Auflage erschienen sind, ohne Weiteres zu finden, dürfte erheblich schwieriger sein als eine beliebige BAUHAUS-12“ aufzutreiben.

Munster Records-Boss Iñigo, der dieses Compilationprojekt federführend betreute, hat also einen herausragenden Job gemacht, erschließt sich nach dem Hören von bald 160 Minuten Musik doch eine spannende neue Welt: manches klingt vertraut, ist klar von offensichtlichen britischen Vorbildern beeinflusst (wenn auch durch die harsche Sprache verfremdet), anderes hat eine ganz andere Klangfarbe, und man braucht noch mal fast halb so lange, um sich durch die drei ausführlichen, auf jede Band eingehenden Linernotes-Texte zu kämpfen, die sich, begleitet von Fotos und Coverabbildungen, im Booklet finden – erfreulicherweise nicht nur auf Spanisch, sondern auch auf Englisch.