WALKABOUTS

Nighttown

Wer Mitte der Neunziger, als die WALKABOUTS für zwei Alben zum Major Virgin wechselten, immer noch nicht kapiert hatte, dass die Band außer derselben Heimatstadt und dem gleichen Label absolut nichts mit der zur Zeit ihrer Gründung im Jahr 1984 grassierenden Grunge-Welle zu tun hatte, dem konnte man auch nicht mehr helfen.

Und ob THE WALKABOUTS überhaupt jemals davon profitiert haben, ist sowieso die große Frage. Dafür haben sie bis heute feine Platten eingespielt, die im Bereich Americana und Alternative Country stilprägend und vor allem immer extrem charakteristisch waren.

Irgendwelche Sellout-Vorwürfe wirkten bei so einer Band, die in ihrer eigenen Liga spielte, natürlich albern, auch wenn sie offensichtlich mehr Budget zur Verfügung hatten, um 1996 „Devil’s Road“ für Virgin einzuspielen.

Damit konnten sie sich das Warschauer Symphonie-Orchester leisten, das THE WALKABOUTS einen mächtigen orchestralen Sound bescherte, der die rockige Seite der Band fast völlig verdrängte. Sinn für Pathos und überbordende Melancholie hatten sie zwar schon immer, aber mit „Devil’s Road“ überschritt man auch mal genüsslich die Grenze zum Kitsch.

Gerade deswegen gehört „Devil’s Road“ auch zu einer ihrer schönsten Platten, die THE WALKABOUTS in die Nähe von Nick Cave oder TINDERSTICKS brachte. Auch wenn die Band mehr oder weniger von Virgin genötigt wurde, dem mäßig erfolgreichen „Devil’s Road“ mit „Nighttown“ im Hauruckverfahren bereits ein Jahr später ein weiteres Album folgen zu lassen, fiel das fast noch besser aus.

Denn auf „Nighttown“ klappte die Integration des Warschauer Symphonie-Orchesters in den rockigen Alternative Country der WALKABOUTS wesentlich besser. Ein deutlich düstereres Album ohne den Zuckerguss des Vorgängers, sozusagen die Film-noir-Version der WALKABOUTS, und im Schaffen der Band ähnlich unterbewertet wie „Devil’s Road“.

Ihr langjähriges Label Glitterhouse dürfte es mit einer gewissen Genugtuung sehen, diese beiden Platten, mit denen ihnen die Band damals fremdgegangen war, jetzt in schönen Deluxe-Ausführungen mit zusätzlichen Demo-Aufnahmen neu veröffentlichen zu können.