KARIES

Seid umschlungen, Millionen

Esslingen. Eine dieser Städte, an denen ich immer nur vorbeifahre auf dem Weg nach Stuttgart. Dabei existiert dort mit dem Komma ein Konzertort, dessen Programm ambitionierter ist als das der Clubs in der nur ein paar Kilometer entfernten Landeshauptstadt.

Ob dieser geschmackssichere Hort der Subkultur dazu beigetragen hat, dass sich in seiner Umgebung eine ganze Reihe spannender Bands wie DIE NERVEN, HUMAN ABFALL und KARIES etablieren konnten? Bei KARIES trommelt Kevin Kuhn von DIE NERVEN, von daher liegt es auf der Hand, als Rezensent den Vergleich zu jenen zu ziehen.

Falsch ist das nicht, aber KARIES sind doch anders: wühlender, düsterer, druckvoller, lauter. Dieser WIPERS-Wumms reizt mich, und dann ist da auch dieser frühe FEHLFARBEN-Groove – nix NDW, sondern deren Begeisterung für die Vorbilder aus England wird hier 35 Jahre später weiterzitiert.

Das Schlagzeug wummert, der Bass blubbert niederfrequent, und die Gitarre setzt dazu nervös flirrende Akzente. Dazu klarer, jugendlich wirkender deutschsprachiger Gesang mit Texten, die erfreulicherweise rein gar nichts mit dem schlimmen Schlagerkitsch à la Wiebusch, Uhlmann und JUPITER JONES zu tun haben, sondern die eher in Peter Hein- oder EA80-Tradition stehen.

Und der Titel? Nein, der ist nicht von einem lustigen Hochstapler-Movie geklaut, sondern eine Zeile aus Friedrich Schillers „Ode an die Freude“. Ein Album für Menschen, die Deutsch-LK hatten.

Leider ohne Booklet mit Texten.