ROGERS

Nichts zu verlieren

Zu den schönsten Dingen, die einem die Liebe zur Musik bescheren kann, gehört die Möglichkeit, einer Band über längere Zeit beim Wachsen zuzusehen und zuzuhören. ROGERS aus Düsseldorf sind so eine Band.

Früher hießen sie mal NOTAUFNAHME und JOLLY ROGER, was nicht nur den Namen nach ein bisschen albern klang: Wer sie auf der Bühne sah, der sah vor allem junge Musiker, die sich noch lange nicht gefunden hatten und Erfahrung brauchten, um einmal ein homogenes Gebilde zu werden.

Aber das Herz, die Leidenschaft für die eigene Musik – das blitzte damals schon durch bei Frontmann Chri und seinen Jungs. Es war letztlich nur eine Frage der Zeit, bis die ganze Chose mal explodieren würde.

Im positiven Sinne. Und jetzt ist sie da, die Explosion. Ihr Name: „Nichts zu verlieren“. Es ist zwar erst das zweite Album, das unter dem nun auch nicht mehr ganz so neuen Namen veröffentlicht wurde.

Aber es ist für ROGERS eine Art Quantensprung. Textlich, aber vor allem musikalisch. Als sie 2013 mit dem Debüt „Flucht nach vorn“ ein wenig auf der Kippe zwischen zu sehr deutschrockigem Punk und lupenreinem Punk standen, da hätte noch so Einiges schiefgehen können.

Aber sie fielen richtig bei dieser Gratwanderung. „Nichts zu verlieren“ ist nämlich lupenreiner Punkrock. So sehr wie noch nie zuvor bei ROGERS. Natürlich könnte man unken, dass der Düsseldorfer Einschlag – DIE TOTEN HOSEN, BROILERS, vor allem jedoch die Hosen – durchkommt bei den vielen Chören und gedämpften Riffs und kleinen Solospielereien.

Aber eigentlich verbietet sich der Vergleich, denn ROGERS haben das, was die Kollegen mittlerweile ziemlich zurückgefahren haben: Geschwindigkeit. Die zwölf Songs rauschen wie eine Welle aus Euphorie an einem vorbei, die auf kein Hindernis trifft, um gebrochen zu werden.

Anfang. Ende. Ein Rutsch. Den Arrangements kann man gleichsam die Schweißperlen der Arbeit, vor zig Ideen durchbrennende Hirnsynapsen und enorm gewachsene technische Fertigkeiten anhören.

Und am Ende krachen und brüllen sie dann alles raus – bis hin zum famosen „Vergiss nie“ am Ende der Platte, das den Punk von damals bis heute umspannt. Der einzige Schwachpunkt des Albums ist letztlich einer, der nur dann ein Schwachpunkt ist, wenn man es auf Teufel komm raus drauf anlegt: Textlich zieht Sänger Chri mitunter ordentlich pathetisch vom Leder.

Oft geht es darum, den eigenen Lebensstil des Punk gegen Spießigkeit und Genügsamkeit zu verteidigen und sich dem vermeintlichen Erwachsenwerden zu verweigern. Aber bitteschön: Das sind doch erstens urtypische Punkrock-Topoi.

Wer also will das ernsthaft kritisieren? Und zweitens: Diese Texte zeigen, dass da eine Band gerade durchstartet und ihren Traum lebt. Und zwar ohne Einschränkung und Kompromisse. Immer weiter nach vorne.

Sie haben ja „Nichts zu verlieren“. Die Band möchte ich sehen, die ROGERS darum nicht beneidet.