ALAN VEGA ALEX CHILTON BEN VAUGHN

Cubist Blues

In Ox #33 (1998) schrieb ich: In zwei Nächten, am 6. und am 7. Dezember 1994, schlossen sich die drei Herren Alan Vega (SUICIDE), Alex Chilton (THE BOX TOPS, BIG STAR) und Ben Vaughn in ein New Yorker Studio ein und fingen an zu spielen beziehungsweise zu singen: Chilton und Vaughn abwechselnd an Gitarre, Bass, Piano, Schlagzeug und Synthies, Alan Vega am Mikrofon.

Einen genauen Plan gab es nicht, man wollte sich einfach treiben lassen, improvisieren, spielte teilweise völlig im Dunklen. Frage an Alan: „How could you see what you were doing?“ Antwort: „We couldn’t.“ Frage von Ben: „Is this bass in tune?“ Gegenfrage Alex: „Is that a rhetorical question?“ Andere Musiker hätten unter solchen Bedingungen vielleicht ein verkopftes Stück improvisierte Scheiße produziert, diese drei Genies jedoch brachten ein zwölf Songs und vier LP-Seiten umspannendes Meisterwerk zustande, ein pulsierendes, unglaublich gut aufgenommenes Album, das – obwohl Vega, der Mann mit einer der sexiesten Stimmen im Rock’n’roll überhaupt, „nur“ gesungen hat – doch immer wieder an den düsteren, kranken Rock’n’roll (!) von SUICIDE erinnert.

Und mein damaliges Resümee lautete: „Ein gottverdammter, unglaublich grandioser Geniestreich!“ Seitdem begleitet mich dieses Album mit seinem sehr warmen, offenen Sound, die Doppel-LP und das damals von Munster zu Promozwecken verschickte T-Shirt hüte ich wie meinen Augapfel, kaufte sogar später zwecks „Vinylschonung“ die CD-Version auf Thirsty Ear (2006 gab es eine Neuauflage auf Last Call), denn die Doppel-LP wird auf Discogs ab 180 Euro aufwärts angeboten.

Gut, dass die Exklusivität des Hörvergnügens jetzt wieder relativiert wird durch diese Neuauflage via Light In The Attic, die allerdings leider nicht das gelungene(re) Artwork des Original-Releases übernimmt.

Wer immer SUICIDE verehrt, das Soloschaffen von Alan Vega und des 2010 verstorbenen Alex Chilton, die Produzentenkünste von Ben Vaughn, muss dieses Album spätestens jetzt entdecken. Songs wie „Fly away“, „Freedom“ und „Candyman“ sind in ihrer dramatischen Größe pure Magie, ganz, ganz große Kunst.

„Cubist Blues“ ist eine dieser Platten für die Ewigkeit. Als Bonus gibt es die Last Call-Release-Extra-Tracks, Live-Mitschnitte von einer „Cubist Blues“-Aufführung in Frankreich („Live At The Transmusicales, Rennes, France: 7th December 1996“) als Download.