AOS3

Far And Few

Eines der spannendsten, aber auch unterschätztesten Phänomene des britischen Punk ist der Dub-Punk. THE RUTS, THE CLASH, PiL und Jah Wobble leisteten da Vorarbeit, aber es waren dann unter anderem CITIZEN FISH und RADICAL DANCE FACTION, die im weiteren Verlauf der Achtziger die Fackel weitertrugen, Punk tanzbar machten, trotz und mit politischem Anspruch.

1990 in Sunderland gegründet, waren AOS3 (auch A.O.S.3. geschrieben) Teil der Anfang der Neunziger bis zu ihrer Kriminalisierung durch die Regierung boomenden Szene kleiner, unkommerzieller Festivals, auf denen Punks wie Techno-Fans zusammen feierten.

Auch der Name der Band ist eine Bezugnahme auf diese Szene, in der bewusstseinserweiternde Substanzen durchaus beliebt waren, und steht für Augustus Owsley Stanley III. Als Chemiker war es ihm in den Sechzigern als Erstem gelungen, größere Mengen pures LSD herzustellen, und er stand bei GRATEFUL DEAD am Mischpult.

Durchaus bedeutungsvoll ist auch das Bandlogo, das vier bekannte Symbole vereint: das Anarchie-A und die Zeichen für Frieden, Yin und Yang und Om. „Unser Logo ist eine Art Symbiose aller vier Symbole, in der es in erster Linie um die persönliche Freiheit geht, die nichts mit kapitalistischen und wirtschaftlichen Interessen zu tun hat“, sagt Sänger und Keyboarder John.

Mit „God’s Secret Agent“ und „Diversionary Tactics“ veröffentlichten AOS3 1994 und 1995 zwei exzellente Alben, lösten sich dann aber auf. Sänger John gründete zusammen mit Phil von RADICAL DANCE FACTION die famosen P.A.I.N., bei denen der Apfel musikalisch nicht weit vom Stamm fiel: Punk und Dub ergibt Dub-Punk.

Seit 2007 bereits sind AOS3 wieder aktiv, neue Aufnahmen allerdings standen nicht auf der Prioritätenliste. Erst 2014/15 fand die Band die Zeit, sich an neues Material zu machen, und mit „Far And Few“ liegt nun endlich das dritte Album vor.

Das wirkt völlig aus der Zeit gefallen, so als handle es sich um eine zwanzig Jahre alte Platte, den direkten Nachfolger von „Diversionary Tactics“: Dominiert von Johns markantem Gesang grooven die Songs enorm, sind dubbige und bisweilen auch latent trancige Punkrock-Smasher, die man in dieser Form wirklich nirgendwo anders bekommt.

Ergänzt wird die Musik um sehr engagierte Texte, die man im dicken Booklet nicht nur nachlesen kann, sondern auch erläutert bekommt – von Gedanken über „Szene-Uniformen“ bis hin zu Anmerkungen über das Bildungswesen und den Einsatz von Ritalin reichen die Themen, und eine Art Bandhistory gibt’s auch noch.

Erschienen ist das Album auf dem eigenen Label, wozu John anmerkt: „Gerade wegen meiner schlechten Erfahrungen im Musikgeschäft ist mir unabhängiges Arbeiten so wichtig geworden. So gibt es niemanden, der für oder über dich hinweg Entscheidungen fällt oder dir ständig im Nacken sitzt.“