20 Jahre später: THE WEAKERTHANS

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Reconstruction Site (CD/LP, Epitaph, 2003)

„Klingt ja ganz nett“, sagte er und damit war klar, dass es nicht die große Liebe war. Wie zum Teufel konnte ihm „A plea from a cat named Virtute“ nicht das Herz brechen? Wie bloß konnte er jetzt nicht „A new name for everything“ fordern? Es ist ein Klischee, jemandem Lieblingsmusik vorzuspielen und an der Reaktion das Schicksal dieser Beziehung festzumachen. Ich war allerdings 15 und vielleicht ein bisschen theatralisch. „Reconstruction Site“ von den WEAKERTHANS fährt allerdings heute noch in meinem alten Polo mit. Was mein damaliger Freund heute macht, weiß ich nicht (schöne Grüße trotzdem). Jedenfalls: „Reconstruction Site“ war bereits das dritte Album der Kanadier. „Fallow“ war schon gut, „Left And Leaving“ war voller Hits, aber „Reconstruction Site“ ist ein Meisterwerk. Es gibt keinen schlechten Song auf diesem Album. Nicht mal einen mittelmäßigen. Es erschien, als Emo gerade eine große Sache war, und ja, irgendwie passten auch die WEAKERTHANS da rein, nur waren sie eben nicht seitengescheitelt und schrieen nur sehr selten rum. John K. Samson, der früher mit PROPAGANDHI völlig andere Musik gemacht hatte, ist allerdings ein Meister des Tragikomischen. Jede Geschichte, die er in seinen Songs erzählt, ist voller Melancholie, die wird jedoch aufgebrochen von lustigen Anekdoten und Samsons feiner Beobachtungsgabe. Na gut, und von den starken Melodien. Das beste Beispiel ist „A plea from a cat named Virtute“. Einen Song aus der Perspektive eines Haustiers zu schreiben, kann leicht kitschig und albern wirken. John K. Samson hat es jedoch hinbekommen, beides zu umgehen. Virtutes menschlicher Mitbewohner leidet an Depressionen und alle liebevollen und lustigen Bemühungen der Katze, seine Stimmung aufzuhellen, scheitern. Auch gute und ehrliche Ratschläge prallen ab: „And listen, about those bitter songs you sing? They’re not helping anything! They won’t make you strong!“ Später spricht die Katze ihrem Menschen noch gut zu: „I know you’re strong!“ Auf „Reunion Tour“ und „Winter Wheat“ (Samsons Soloalbum) ging es weiter mit Virtute. Das hier sind nicht nur Lieder über ein lustiges Haustier. Samson erzählt eine herzzerreißende Geschichte über Depression, Liebe und Vergebung und das berührt mehr als so manches Liebeslied über zwischenmenschliche Beziehungen. Ich wünschte, es gäbe die WEAKERTHANS noch oder Samson würde zumindest solo wieder nach Deutschland kommen. Beim letzten Mal brüllte ich zusammen mit vielen anderen Menschen im Kölner Gebäude 9: „I hate Winnipeg“. Ich kenne die Stadt überhaupt nicht, jedenfalls nicht persönlich, und so ging es vermutlich vielen anderen auf dem Konzert auch. Das Gefühl dahinter jedoch, das kennen wir.