25 Jahre später: AVAIL

Foto

Over The James (LP/CD, Lookout!, 1998)

Manchmal kommt man zu Lieblingsbands wie die Jungfrau zum Kinde. Komplett ohne eigenes Zutun, sondern einfach so. Anfang der Neunziger startete meine musikalische Sozialisation am Ende der Realschulzeit, als ein Schulfreund mir „Reign In Blood“ von SLAYER und „... And Justice For All“ von METALLICA auf ein Tape kopierte. Da ging die Reise los und wurde in den Folgejahren um ANTHRAX, NUCLEAR ASSAULT und den ganzen NYHC-Sektor erweitert. Als ich kurz vor dem Abitur stand, lernte ich mit Klaus einen Typen kennen, der bei der Warsteiner Brauerei seine Ausbildung machte und immer zum theoretischen Blockunterricht nach Dortmund fahren musste. In seiner Klasse war damals ein Typ, der ihm immer den heißesten Musikshit mitbrachte. Zusammen hörten wir uns dann in Klaus’ altem Opel Corsa die neuen Tape-Zusammenstellungen aus dem Pott an. PRONG, WHITE ZOMBIE, BIOHAZARD und dann dieser unfassbare Punk-Song, der sofort zündete. Leider war die Trackliste der Compilation unvollständig, so dass erst wieder Wochen ins Land zogen, bis klar war, dass der Song „Clone“ hieß und von einer Band namens AVAIL gespielt wurde. Mit Punk hatte ich bis dahin nur auf den Abifeten, wo GREEN DAY, BAD RELIGION oder THE OFFSPRING liefen, zu tun. AVAIL waren anders: sperriger, wilder und härter. Kurze Zeit später erstand ich mit „Dixie“ das ganze Album, auf dem „Clone“ enthalten war, und hörte es unzählige Male durch. Die Band aus Richmond zündete bei mir sofort. Zum einen lag es an Tim Barrys exzellentem Gesang, der mit seinem düsteren Organ sofort meinen Nerv traf, zum anderen an der unbekümmerten Gangart, mit dem AVAIL ihre Songs strukturieren. Dabei ist ihr Händchen für Ohrwurmpassagen nebst göttlichen Punkrock-Hymnen herauszustellen. Der Meilenstein dahingehend ist definitiv „Over The James“. Schon der Anfang dieses Albums, das am 7. April 1998 in die Läden kam, macht sofort klar, wo der Hase langlaufen wird: Zehn Sekunden wird die E-Gitarre aufgedreht, bis dann die treibenden Drums, der groovende Bass und Tims unfassbarer Gesang das famose „Deepwood“ kreieren, dessen Refrain sich tief in das Gedächtnis gräbt. Genau dieses Wechselspiel zwischen harten Instrumentalpassagen, melodischen Zwischenspielen und einer grandiosen Gesangsleistung, gepaart mit fantastischen Lyrics machen „Over The James“ zu einem absoluten Punkrock-Klassiker. Der Fünfer hat hier nur Killer im Gepäck, wobei meine absoluten Evergreens „Nickle bridge“ sowie „Scuffle town“ aus diesem Meisterwerk herausragen. Absoluter Pflichtkauf für alle Punkrock-Fans. In späteren Jahren wurde „Over The James“ in verschiedenen Versionen wiederveröffentlicht, unter anderem vom Label Jade Tree, ergänzt durch verschiedene Coverstücke wie das superbe „You may be right“ von Billy Joel.