25 Jahre später: ENSIGN

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Direction Of Things To Come (CD, Indecision, 1997)

1997 erschienen zahlreiche Klassiker des New York Hardcore-wie etwa „Built To Last“ von SICK OF IT ALL oder „Just One“ von BETTER THAN A THOUSAND. Das Album einer Band scheint mir jedoch irgendwie etwas untergegangen zu sein in der Wahrnehmung der NYHC-Szene. Es ist das hervorragende Debütalbum „Direction Of Things To Come“ von ENSIGN aus New Jersey. Es bleibt mir ein Rätsel, wie das sein konnte, schließlich war der Sänger des Quartetts der durchaus in der Szene bekannte Tim Shaw, der zuvor jahrelang Roadie für SOIA war. Vielleicht passte das Album zu diesem Zeitpunkt nicht in die damals vorherrschende Tough-Guy-Mentalität des NYHC. Denn ENSIGN präsentierten auf ihrem Debüt Hardcore im Stil von 7 SECONDS, YOUTH OF TODAY und GORILLA BISCUITS. Da geht jeder Song von der notwendigen Wut getrieben mit reichlich Druck nach vorne, aber immer mit einer gehörigen Portion Positive Mental Attitude – auch wenn ENSIGN keine Straight-Edge-Band waren. Diesen Stil behielten sie über die Jahre bei. Ein weiterer Grund für die geringe Beachtung des Albums könnte natürlich auch gewesen sein, dass es auf Indecision Records erschien, dem Hardcore-Label aus Huntington Beach, Kalifornien. Uuuh, Kalifornien ... welch Frevel für eine NYHC-Band! Mit Sicherheit gab es solch albernes, engstirniges Denken. Weiterhin erschließt sich mir die geringe Bekanntheit von ENSIGN nicht, weil die Band im selben Jahr eine Split-7“ mit GOOD RIDDANCE veröffentlichte und in den Folgejahren bis 2003 zahlreiche Releases vorweisen konnte. Witzigerweise blieben ENSIGN auch bei ihren Nachfolgealben auf einem kalifornischen Label, nämlich Nitro Records von Dexter Holland (THE OFFSPRING). Für mich wirkt das schon ein wenig wie ein ausgestreckter Mittelfinger für alle Hater, Neider und Vollidioten, die meinten, NYHC müsse auch auf einem New Yorker oder zumindest East-Coast-Label erscheinen. Ein sehr charmanter Mittelfinger! Leider war das letzte musikalische Lebenszeichen von ENSIGN „Love The Music, Hate The Kids“ von 2003 auf Blackout Records. Damit hatten sie nun ihr erstes Album auf einem New Yorker Label veröffentlicht. Darauf covern sie ihre liebsten Hardcore-Songs der Achtziger und Neunziger Jahre. Dieses Album ist etwas Besonderes und zeigte nochmals anhand der ausgewählten Bands (BAD BRAINS, BAD RELIGION, DESCENDENTS, HÜSKER DÜ ...) und des Albumtitels (auch der wieder ein ausgestreckter Mittelfinger), welcher Sound für die Band bedeutsam und wichtig war. ENSIGN waren einfach eine großartige Band mit einem feinen Sinn für Humor, voller Eigenständigkeit, Energie und Positivität.