2LEGSBAD

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Hardcore-Schale, weicher Kern

Wer die Aschaffenburger Formation 2LEGSBAD bereits live bewundern konnte, weiß genau, dass deren wuchtiger, metallischer Hardcore einer echten Dampframme gleicht. Zur großen Freude steht nun das neue Split-Album mit IN THE CAGE in den Startlöchern, zu dem wir Sänger Chris und Bassist Manuel zum Gespräch baten. Dass das Quartett nebenbei auch noch ein eigenes Label betreibt, das sich ganz und gar dem Solidaritätsgedanken verschrieben hat, macht die beiden nur noch sympathischer.

Erst 2022 habt ihr eure EP „Antgame“ veröffentlicht und nun seid ihr schon wieder mit neuer Musik am Start. Ihr sprudelt ja nur so vor Produktivität, oder?

Manuel: Ja, für uns hat sich vieles zum Positiven entwickelt. Wir sind im vergangenen Jahr musikalisch noch enger zusammengewachsen. In diesem Kontext entstanden dann recht schnell neue Songs und diese wollten wir unbedingt auch zeitnah veröffentlichen – so kam es zu dem neuen Album, das jetzt rauskommt. In der Tat hat uns die EP aber auch viele Türen zu Shows geöffnet und wir standen 2023 endlich wieder vermehrt auf der Bühne. Und das ist ja letztlich auch genau das, was die rohe Energie von Hardcore ausmacht: das Live-Erlebnis.

Euer neuer Release ist eine Split-Platte mit IN THE CAGE aus Wien. Wie kam die Kollaboration zustande?
Manuel: Roman, den Sänger von IN THE CAGE, lernte ich bei den Planungen zur „... Silent Cries For Help – Noise To Hear Them (Act One)“-Compilation kennen. Er hatte mich zwecks Hilfe zu diesem Solidaritätsprojekt kontaktiert, dessen kompletter Erlös an wohltätige Organisationen in der Flüchtlingshilfe gespendet wurde. Seitdem pflegen wir regelmäßig Kontakt. Als sich IN THE CAGE zeitgleich wie wir mit ein paar Songs ins Studio begaben, wurde die Idee einer gemeinsamen Split-EP geboren. Was beide Bands eint, ist die Vision, harte und ehrliche Musik zu schreiben und diese ohne Kompromisse mit voller Energie auf die Bühne zu bringen.

Vor allem gesanglich klingt die neue Platte ausgereifter und der Sound wirkt deutlich härter, aber gleichzeitig auch noch viel experimenteller als zuvor.
Chris: Danke! Wie jede andere Band versuchen wir, aus unseren Fehlern zu lernen und uns stetig weiterzuentwickeln. Die Bühnenerfahrung hilft hier natürlich immens, da man dabei schnell merkt, welche Songs live so richtig zünden. Und genau in diese Richtung denken wir dann auch, wenn es um neues Material geht. Am eigentlichen Aufnahme- und Produktionsprozess haben wir dieses Mal aber nichts verändert. Lediglich die Gangshouts und Chöre wollten wir noch druckvoller machen, da das ja auch live immer für noch mehr Energie sorgt.

Entstehen eure Texte und Songs gemeinsam im Proberaum oder habt ihr hierbei eine klare Aufgabenteilung?
Manuel: Meist schreiben unser Gitarrist Marcus und unser Schlagzeuger Marcus Nr. 2 die Songs, die dann in der Regel nahezu fertig sind. Im Proberaum arbeiten wir später gemeinsam an den Arrangements. Dabei merken wir aber auch recht schnell, wenn ein Lied für uns mal nicht funktioniert, so dass wir das zeitnah wieder verwerfen. Wir haben in dieser Hinsicht einen hohen Anspruch an uns selbst.
Chris: Die Texte stammen alle aus meiner Feder. Während des Songwritings sitze ich meistens im Proberaum und brummele einfach vor mich hin, um ein Gefühl für den Track zu bekommen.

Dann bleiben wir doch direkt bei den Texten: Diese haben stets einen starken sozialkritischen Hintergrund mit klarer antirassistischer Botschaft. In Zeiten wie diesen ist das Ganze relevanter als je zuvor, oder?
Chris: Ja, absolut! Und genau deswegen ist es jetzt so wichtig, klare Kante gegen rechte Hetze zu zeigen! Es ist wirklich unfassbar, dass es so viele Menschen gibt, die eine in großen Teilen offen rechtsextreme Partei wählen. Wir als Band können das nicht dulden und kommunizieren das auch ganz direkt in unseren Songs. Diese prangern grundsätzlich die Missstände und Ungerechtigkeiten unserer modernen Welt an. Inspiration gibt es ja mehr als genug, leider.

Das neue Album ist eine gemeinsame Veröffentlichung mehrerer Labels – eine Methode, die allein schon aus finanziellen Gründen immer mehr Anklang findet. Wie stehst du, Manuel, einerseits als Musiker und andererseits als Labelboss von Noise To Help Records, dazu?
Manuel: Na ja, die Sache hat wirklich zwei Seiten. Zum einen finde ich es als Musiker einer Band traurig, dass sich die wenigsten Labels an eine kleine Band alleine heranwagen, um deren künstlerische Vision voranzubringen. Aber aufgrund der derzeitigen Umstände, vor allem wegen erhöhter Produktionskosten bei gleichzeitig rückläufigen Tonträgerverkäufen, ist das natürlich nachvollziehbar. Ein kleines DIY-Label wie Noise To Help Records kämpft schließlich genauso mit diesen Problemen. Da ohnehin kaum bis keine finanziellen Rücklagen vorhanden sind, um all die Projekte zu verwirklichen, die einem eigentlich am Herzen liegen, bieten Shared Releases eine willkommene Chance. Sowohl in puncto Kostenteilung als auch bezüglich höherer Reichweite. Zudem entstanden in meinem Fall oft neue und mittlerweile richtig enge Freundschaften mit einigen Partnerlabels, was ja auch ein tolles Gefühl ist.

Was ist deine Labelphilosophie und worauf richtest du deinen musikalischen Fokus?
Manuel: Der Name Noise To Help sagt eigentlich schon alles: Ich hatte das Label 2021 dank eines kleinen Schubsers von Michi von Dedication Records ins Leben gerufen, mit dem ich den besagten „... Silent Cries For Help“-Sampler co-veröffentlichte. Anfangs sollte es auch dabei bleiben, doch dann hatte ich Blut geleckt und habe einfach weitergemacht. Meine Philosophie ist recht einfach und direkt: Helfen, unterstützen, fair sein. Der musikalische Fokus liegt im gesamten Spektrum von Hardcore, Punkrock und Metal, wobei ich mir auch keine Grenzen setzen möchte. Wenn mir eine Band gefällt und es menschlich passt, warum nicht?

Wer deine Aktivitäten beobachtet stellt sofort fest: Du lebst das Thema Solidarität quasi in persona und unterstützt regelmäßig viele gemeinnützige Projekte. Was treibt dich dabei an?
Manuel: Dankbarkeit! Denn ich habe das Glück, in guten Verhältnissen zu leben, und darf mich sicher fühlen. Gleichzeitig führe ich mir jeden Tag vor Augen, dass dies ein Privileg ist, das nicht allen Menschen zuteil wird. Es ist eine Möglichkeit, meinen eigenen kleinen Beitrag zu einer besseren Gesellschaft zu leisten. Zyniker mögen behaupten, das wäre moderner Ablasshandel – für mich ist es Nächstenliebe sowie Zusammenhalt und somit die Quintessenz dessen, was die Hardcore- und Punk-Szene repräsentieren sollte. Deshalb bin ich auch immer weiter bemüht, mit meinen wenigen finanziellen Mitteln Benefiz-Compilations zu realisieren oder Soli-Shows zu organisieren.

Wo du gerade die Szene ansprichst: Auf vielen klassischen Hardcore-Konzerten sieht man ja vor allem die Generation Ü40, während Jüngere häufiger in anderen Subgenres zu Hause zu sein scheinen, die wertetechnisch jedoch nicht mehr viel mit den Idealen der alten Schule gemeinsam haben. Gibt es also ein Nachwuchsproblem?
Manuel: Nachwuchsproblem würde ich nicht unbedingt sagen. Aber es gibt mittlerweile einfach sehr viele unterschiedliche musikalische Facetten, Einstellungen und Werte innerhalb der „Szene“. Mir kommt es so vor, als ob wir mehr Grenzen ziehen, anstatt echte Brücken zu bauen – ganz im Gegensatz zu dem, was da textlich oft rausgehauen wird. Dieser ganze Unity-Gedanke ist für mich heutzutage einfach mehr Heuchelei als echte Tugend oder Wahrheit. Leider.

Und was steht für das neue Jahr bei 2LEGSBAD und deinem Label auf der Agenda?
Manuel: Mit 2LEGSBAD feiern wir natürlich zu allererst einmal unseren aktuellen Release und hoffen neben den bereits bestätigten Shows auf viele weitere Gelegenheiten, uns live präsentieren zu können. Außerdem sind schon die ersten neuen Songs für die übernächste Veröffentlichung in der Mache – wir versuchen, immer in Bewegung zu bleiben. Mit Noise To Help Records habe ich momentan vier Veröffentlichungen in der Pipeline, die alle Anfang bis Mitte 2024 rauskommen werden. Daneben laufen dann auch schon Planungen für eine nagelneue Soli-Compilation sowie ein Benefizkonzert, aber das ist noch nicht ganz spruchreif. Checkt doch gerne mal die Website, das sind echte Herzensprojekte, deren Support wirklich lohnt und wo der Erlös auch wirklich bei denen ankommt, die es brauchen können!