30 Jahre Katholiken ärgern

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Große Aufregung in Schweinfurt

Vor ziemlich genau dreißig Jahren sorgten die „Schweinfurter Passionsspiele“ im fränkischen Schweinfurt für große Aufregung. Ein selbsternanntes Mammutkabarett, organisiert von Aktivisten aus dem damaligen Kulturhaus Die Schreinerei, dem Vorgängerladen des Stattbahnhofs, das wochenlang für Gesprächsstoff sorgte. 600 Zuschauer wollten damals das Stück sehen. Aufgeführt wurde es am 1. April 1991 im Fichtelsgarten, dem kleinen Park gegenüber der Schreinerei. Jürgen Pickel war damals Ideengeber für das umstrittene Spektakel. „Wir dachten, wir müssen mal wieder was gemeinsam machen und nicht immer nur Schafkopf spielen“, erinnert er sich. „Deshalb haben wir eine Aktion gesucht, bei der man viele Leute braucht und da haben sich Passionsspiele einfach angeboten.“ Die Handlung sorgte für jede Menge Sprengstoff: Jesus als Frau, die am Ende von Autonomen vom Kreuz heruntergeholt wird, die Gerichtsverhandlung als Gameshow und ein vielbeachteter Kreuzzug durch die Innenstadt mit Punks als römische Ordnungskräfte in selbstgebastelten Rüstungen aus Silberfolie. Fast neunzig Mitwirkende aus dem Umfeld der Schreinerei waren an den Passionsspielen beteiligt. Für die musikalische Begleitung sorgte unter anderem die Schweinfurter Punkband KALTER KRIEG. „Bei den ersten Passionsspielen war die Motivation ganz klar gegen die Kirche als Institution gerichtet“, erklärt Oskar. „Die zweiten Passionsspiele haben sich dann mit der modernen Esoterik beschäftigt. Im weiteren Verlauf hatte es dann eher Freiheitscharakter.“ Von der lokalen Tageszeitung wurden die ersten Passionsspiele weitgehend ignoriert, erzählt Oskar. Nach den Passionsspielen am Ostermontag hagelte es erboste Leserbriefe im Schweinfurter Tagblatt. „Es war tatsächlich eine schauerliche ‚Schweinerei‘, ein Schlachtfest von Evangelien- und Gebetstexten, von Gefühlen und Inhalten, die uns heilig und wertvoll waren“, schrieb der evangelische Pfarrer Martin Steinbach. Viele Schweinfurter regten sich auch über das Plakat auf, das im Vorfeld überall in der Stadt zu sehen war. 500 Poster, 2.000 Faltblätter und 5.000 Flugblätter hatte die Schreinerei damals verteilen lassen. Auch die Kritik fiel im Schweinfurter Tagblatt verheerend aus. „Leider fehlt es den Texten an allen Ecken an der nötigen sprachlichen und gedanklichen Präzision, um die an vielen Punkten durchaus berechtigte Kritik an der christlichen Lehre und ihren Institutionen anzubringen“, urteilt der Berichterstatter Sven Kesselring. Für die Organisatoren, die Mitwirkenden und das Publikum waren die Passionsspiele vor allem eins: ein Riesenspaß. Die Passionsspiele wurden dann noch zweimal wiederholt, jeweils mit neuer Geschichte und teils anderen Darstellern, waren aber lange nicht so erfolgreich wie die erste Ausgabe.