30 Jahre später: GUNSHOT

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Patriot Games (LP/CD, Vinyl Solution, 1993)

GUNSHOT wurden 1989 von MC Mercury, MC Alkaline, Q-Roc (der kurz darauf ausstieg) und DJ White Child Rix in East London gegründet und galten als stilprägende Band des so genannten Britcore, der sich bewusst vom „kommerziellen“ US-HipHop abgrenzen wollte. Dazu gehörten eine konsequente DIY-Attitüde sowie eine teilweise extrem politische Ausrichtung (siehe auch den Track „Undercover anarchist“ der artverwandten SILVER BULLET), die deutlich näher am Punk war als inhaltlich teilweise problematische (Misogynie, Homophobie, Nation Of Islam) US-Bands. Auch musikalisch fanden Acts wie GUNSHOT eine eigene Ausdrucksweise. Zunächst brachte die Band einige Singles heraus, bevor 1993 mit „Patriot Games“ ihr Debütalbum erschien (in Deutschland als Lizenz auf dem We Bite-Sublabel Move). Die Beats darauf sind extrem dünn und schnell; die Soundscapes sind häufig noisig und düster, garniert mit exzessiven Scratch-Einlagen und Filmsamples. Das Ganze wirkt zumeist extrem hektisch, auch die zugehörigen Raps sind zumeist wie Maschinengewehrstakkato, bei dem man aufgrund des extremen Slangs auch mit guten Englischkenntnissen kaum ein Wort versteht. Zum Glück sind die Texte abgedruckt; allerdings sind diese reichhaltig und in kleiner Schriftgröße, so dass man sich für die Lektüre ausreichend Zeit nehmen sollte. Bemerkenswert: es gab keine Berührungsängste mit anderen Musikstilen. Nicht nur trugen die Bandmitglieder gerne mal Merchandise von BOLT THROWER, sondern ließen auch ihren Track „Mind of a razor“ für die Singleveröffentlichung von Shane Embury von NAPALM DEATH überarbeiten, der ihm eine amtliche Sägegitarre und einen kiloschweren Beat verpaßte, wodurch der Titel damals immerhin auf Platz 60 der UK-Charts landete. Die sonstige Atmosphäre des Albums wirkt häufig apokalyptisch; dazu tragen allein schon Songtitel wie „25 gun salute“, „World War 3“ oder „Day of the jackals“ bei. Auch konventionelleren Tracks wie das PUBLIC ENEMY samplende „Gunshots history“ besitzen etwas durchaus Bedrohliches. Das Sample hindert GUNSHOT allerdings nicht daran, in den Linernotes ihres selbstproduzierten Albums einen bösen Gruß an US-Acts loszulassen, die trotz ihres großen Einflusses keinerlei Interesse daran haben, Bands außerhalb der USA zu unterstützen. Großer kommerzieller Erfolg war der Band damit nicht beschieden; 1997 folgte dann noch das um einiges zugänglichere Album „Twilight’s Last Gleaming“, bevor es dann (bis auf Remixes und Gastbeiträge) komplett still um die Band wurde, bevor sie sich 2018 und dieses Jahr mit einzelnen Tracks aus der Gruft zurückmeldete, aber ohne neues Album.