30 Jahre später: SMASHING PUMPKINS

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Siamese Dream (CD, Virgin, 1993)

Dreißig Jahre ist es her, da war Alternative Rock, wie übrigens auch Pop Punk, noch keine Schmähung, sondern hipper, durch MTV befeuerter Zeitgeist. Zur Speerspitze des aufkeimenden Musikgenres gehörten die SMASHING PUMPKINS, die zwei Jahre nach dem Debüt „Gish“ mit „Siamese Dream“ den Soundtrack für unzählige studentisch geprägte Musikclubs bereicherten. Unangenehmes Beiwerk: Nickelbrillen-Typen in Tischlergesellen-Schlaghosen, die auf der Tanzfläche ihren Zopf lösten, um zu Songs wie „Rocket“ die Matte zu schwingen. Richtig verdenken kann man es ihnen nicht, vermählt die Band um Billy Corgan, wie er zumindest damals noch genannt wird, doch auf ziemlich geniale Weise Siebziger-Bombast-Rock mit der Teenage Angst und der Wut des noch jungen Grunge. Die Single „Today“ mit den oft missverstandenen, weil zynisch gemeinten Anfangszeilen „Today is the greatest day I’ve ever known“ ist das „Smells like Teen Spirit“ der Chicagoer Band. Bei den Aufnahmen gerade in seinen Zwanzigern feilt Billy Corgan – angeblich unter dem selbst auferlegten Druck, etwas zu erschaffen, das an den NIRVANA-Meilenstein „Nervermind“ heranreicht – bis zur Erschöpfung an den Songs. Gemeinsam mit Produzent Butch Vig werden pro Track bis zu fünfzig Gitarrenspuren aufgenommen, was in einem wuchtigen Gesamtsound mündet, der den schmalen Grat zwischen Überproduziertheit und Eigenständigkeit in beide Richtungen überschreitet. Hätte „Disarm“ auch ohne Glocken und mit weniger Streichern funktioniert? Mit Sicherheit. Gleichzeitig profitiert das epische „Silverfuck“ genau von diesem Übereifer. Poltern die Drums zu Beginn des Songs noch Richtung TOOL, mündet das Ganze im Mittelpart in fast schon endloser Ruhe, um zum Ende hin wieder brutal auszubrechen. Mindestens genauso gut: „Geek U.S.A.“ und „Mayonaise“. In letzterem suchen Corgans zarter Gesang und die Gitarren die Nähe zum Shoegaze. Wie viel gutes Material in der Zeit entstand, zeigt das 2011er Reissue von „Siamese Dream“: Neben dem ruhigen DEPECHE MODE-Cover „Never let me down again“ finden sich da unter anderem das rauhe „Pissant“ und mit dem Ende des Titeltracks auch ein kleines Fünkchen Humor bei Billy Corgan. Bereits auf diesem Album ist mit der eingängigen Verschrobenheit alles vorhanden, was die Band zwei Jahre später auf dem Meilenstein „Mellon Collie And The Infinite Sadness“ perfektioniert. Parallel zum Genre „Alternative Rock“ wird die Band im Anschluss zur Supernova und kann nicht mehr an die Qualität anknüpfen. Unangenehmes Beiwerk: Das hindert die Typen in den Schlaghosen nicht daran, bis heute Bands zu gründen, die Alternative Rock spielen.