35 Jahre später: NOMEANSNO

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Sex Mad (LP, Psyche Industry, 1986)

Auf einem der legendären Tape-Sampler von Urs Völlmin aus den Achtzigern entdeckte ich damals die mir bis dahin unbekannte kanadische Band NOMEANSNO mit ihrem Song „Dad“. Was für ein Punkrock-Smasher, starker Text und brillant gespielt. Ich brauchte die Platte dazu, unbedingt! Kurz darauf entdeckte ich „Sex Mad“ im Laden meines Vertrauens, sofort gekauft, ab nach Hause und auf den Plattenteller. Aber ... was war das denn? Mir bis dato unbekannte Rhythmen und vertrackte Songs mit überwiegend unfassbarer Länge zwirbelten sich in meine Gehörgänge. Punkrock war das nicht, zumindest fühlte es sich nicht so an, bis auf „Dad“, na klar, und mit Abstrichen den treibenden Titeltrack, der mir aber auch zu schräg war. Ich war enttäuscht und überfordert mit der Platte und sie landete – ich ging davon aus für alle Zeiten – im LP-Ständer kurz hinter einer Band mit namens NOFX. Einige Zeit später, im Jahr 1988, rief Dolf vom Trust mich an. Er wollte mit den Jungs von VERBAL ASSAULT, die ich kurz zuvor auf einigen Konzerten kennen gelernt hatte, nach Amsterdam fahren, um sich dort NOMEANSNO anzuschauen, die auch gerade zum ersten Mal auf dem Kontinent gelandet waren. NOMEANSNO reizten mich nicht, aber ein paar Tage mit Party und Musik in Amsterdam zu verbringen schon. An das Konzert hatte ich nicht die geringsten Erwartungen. Was dann passierte, war unfassbar. NOMEANSNO überrollten mich mit einer derartigen Wucht und Intensität, dass mir alle Synapsen überkochten. Plötzlich kapierte ich alles! Das war Punk. In Intensität und Haltung! Die Kombination von Bass, Gesang und Drums, gespickt mit fiesen Gitarren war grandios. Alles ergab plötzlich Sinn, auch und vor allem die urlangen Tracks, die keine Sekunde mehr langweilig waren, sondern mich geradezu in einen rauschhaften Zustand versetzten. Ich war überwältigt von der Spielfreude und dem Perfektionismus der Band. „Dad“ hatte sein Alleinstellungsmerkmal verloren und war einfach Teil einer großartigen Performance. In den nächsten Jahren und Jahrzehnten manifestierte sich der Ruf des Trios als eine der besten Live-Bands ever. „Sex Mad“ war für mich der Einstieg in die einzigartige Welt von NOMEANSNO. Nach meiner Rückkehr aus Amsterdam holte ich sofort die Scheibe aus ihrem verstaubten Grab und feierte sie von da an ab. Die Original-LP auf Psyche Industry Records wurde 1987 von Alternative Tentacles wiederveröffentlicht, das ursprünglich enthaltene „Hunt the she beast“ durch „Love thang“ ersetzt und die Reihenfolge der Tracks marginal verändert. NOMEANSNO blieben Alternative Tentacles ewig treu, auch wenn es später einige Veröffentlichungen auf dem eigenen Label Wrong Records gab. Jazz? Punk? Rock? Alternative? NOMEANSNO!