35 Jahre später: THE SCREAMING BLUE MESSIAHS

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Bikini Red (LP, WEA, 1987)

Das 1983 von Sänger und Gitarrist Bill Carter in London gegründete Trio war bis 1989 aktiv. Hervorgegangen ist die Band aus der Pubrock-Formation MOTOR BOYS MOTOR (benannt nach einem Song der 101’ERS mit Joe Strummer), die Pubrock, Rhythm’n’Blues, inklusive Mundharmonika und Maultrommel, mit Bill Carters Wall of Sound (zu seinem Gitarrenspiel später mehr) kombinierte. Bekannt wurde zum einen das Cover ihres einzigen, selbstbetitelten Albums, es zeigt den „Snakeman“, ein Gesicht, bei dem mehrere kleine Schlangen aus dem Mund kommen (das war noch lange vor Photoshop), zum anderen benannte sich die niederländische Punkband CLAW BOYS CLAW nach einem MOTOR BOYS MOTOR-Song. MBM-Gitarrist Bill Carter und -Bassist Chris Thompson gründeten danach mit Schlagzeuger Kenny Harris das Trio THE SCREAMING BLUE MESSIAHS. Nach dem Mini-Album „Good And Gone“ (1984) folge 1986 „Gun Shy“ und schließlich gelang ihnen 1987 mit „Bikini Red“ auch der kommerzielle Durchbruch. Produziert wurde „Bikini Red“ von Vic Maile, der neben DR. FEELGOOD, EDDIE & THE HOT RODS, VIBRATORS oder 999 später auch mit Bands wie GODFATHERS, GIRLSCHOOL und MOTÖRHEAD zusammenarbeitete. Soundtechnisch also oberstes Regal, musikalisch ein Mix aus Punkrock („Sweet water pools“), Rockabilly („55-the law“), Rhythm’n’Blues und etwas Offbeat-Wave („I can speak American“). Am erfolgreichsten und bekanntesten wurde der Song „I wanna be a Flintstone“. Verwendung fand dieses Stück, eigentlich ein überarbeiteter MOTOR BOYS MOTOR-Song („Here come The Flintstones“), in einer „Flintstones“-TV-Serie sowie 1994 im Soundtrack des Films „The Flintstones“ („Die Familie Feuerstein“). Besonders ist das Gitarrenspiel von Bill Carter hervorzuheben. Zum einen nutzte er zwei verschiedene Gitarrenamps, Mesa Boogie und HH Electronics, dazu kamen komplexe Rhythmusmuster, die oft mit Feedbacks geladen waren, und sein Markenzeichen: Bill Carter spielte ohne Plektron. Er schlug also mit seinen (oft auch blutenden) Fingern auf und über die Saiten. Das alles extrem temporeich und virtuos. Die Handhaltung sah dabei manchmal etwas komisch abgewinkelt aus, aber live gaben er und die Band alles. Das Bild, wie er im Glitzerjackett und mit hochrotem Kopf auf der Bühne steht und singt, während gleichzeitig ein ohrenbetäubender und extrem tanzbarer Lärm aus den Boxen dröhnt, ist mir unvergesslich. 1989 gab es mit „Totally Religious“ ein letztes Album, auf dem Carters Wall of Sound noch stärker dominierte. 1990 dann der Klassiker, es gibt Stress mit der Plattenfirma und die Band löst sich auf. Erst 2017 gab Carter für einen Podcast erstmals seit 1989 wieder ein Interview.