40 Jahre später: DAF

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Alles ist gut (LP, Virgin, 1981)

Gabi Delgado-López und Robert Görl lebten Anfang der Achtziger Jahre für einige Zeit in London, teilweise auf der Straße oder in besetzten Häusern, und wurden von Mute-Gründer Daniel Miller im Vorprogramm von THE BIRTHDAY PARTY entdeckt. Entsprechend radikal waren DAF. Ihr stilisiertes, betont maskulines und stets in Schwarz gehaltenes Outfit machte sie zur prägenden Keimzelle von Electronic Body Music (EBM). Bands wie FRONT 242 und NITZER EBB wären ohne DAF nicht denkbar gewesen. Während DAF bei den ersten beiden Alben noch etwas in der Findungsphase waren, liefen sie mit „Alles ist gut“ zu Hochform auf. Und was „Es geht voran“ für die FEHLFARBEN war, ist „Der Mussolini“ für DAF – der kommerziell erfolgreichste Song, hinter dem sich jedoch doch einige sehr viel bessere Tracks verbergen. „Ich und die Wirklichkeit“, „Alle gegen alle“, „Sato-Sato“, „Als wär’s das letzte Mal“ (hiervon gibt es eine großartige Coverversion von NAGORNY KARABACH auf „Kleine Exkursion“) sind einmalige und kraftvolle Songs, die direkter nicht sein könnten und bis heute Standards in Sachen minimaler elektronischer Musik setzen. „Als wär’s das letzte Mal“ brachte direkt mit verschwitzter schwarzer Lederkluft den Sex auf die Dancefloors der Neon-Clubs. Der druckvolle Beat wirft einen über die Tanzfläche und Gabi Delgado-López – bei Betonung einer jeden einzelnen Silbe – macht sich Luft: „Drück dich an mich, so fest wie du kannst / Küss mich, mein Liebling, so viel wie du kannst / Drück dich an mich, gib mir so viel, wie du kannst / Liebe mich, mein Liebling, als wär’s das letzte Mal“. DAF waren Meister der Selbstinszenierung, polarisierten intelligent und ließen textlich Interpretationsspielraum offen. In Rom spielten DAF inmitten einer aufgeheizten Menge linker und rechter Skinheads. Beide Gruppen schienen sich in gleichem Maße der Band zu bedienen. Das Duo brach das Konzert nicht ab, auch wenn Gabi Delgado-López oft betonte, dass ihm nicht sehr wohl dabei war. Mit dem Song „Verschwende deine Jugend“ haben DAF nicht nur den Titel für Jürgen Teipels Doku-Roman über die Anfang der Achtziger Jahre aufkeimende Neue Deutsche Welle geliefert, sondern auch ein Lebensgefühl der damaligen Zeit eingefangen. Bis heute ist die Energie in ihren Songs erhalten geblieben. DAF lebten kategorisch den Moment, und beschrieben damit den Lebensstil einer Generation: „Schnelle Produktion für die schnelle Republik /Wer täglich stirbt, lebt für den Augenblick / Das Leben ist langweilig / Es macht keinen Spaß / Das Leben ist flach / Nachtarbeit ist Arbeit in der Nacht / Nachtarbeit ist Arbeit in der Nacht“ (aus dem Song „Nachtarbeit“). Gabi Delgado-López verstarb am 22. März 2020 in Portugal im Alter von 61 Jahren.