40 Jahre später: D.O.A.

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Hardcore ’81 (LP, Friends, 1981)

Das Schöne an Schallplatten ist für mich, neben dem greifbaren Erleben, vor allem die Geschichten, die mit dem Erwerb des Tonträgers verbunden sind. „Hardcore ’81“ habe ich zum Beispiel 1981 im Hamburger Schallplattenladen „Aus lauter Liebe“ gekauft. Nachdem der Rip-Off-Laden im Karoviertel schließen musste, gab es in der Neustadt, in der Straße Pilatuspool, kurzzeitig Ersatz – zwar mit neuem Namen, aber den alten Problemen. Die SPD-Fraktion im Bezirk Mitte forderte den Bezirksamtsleiter bereits vor der Eröffnung auf, sich dafür einzusetzen, dass dort kein „Punkerlokal“ aufgemacht wird. Es war damals kalt im Laden und die Punkette am Verkaufstresen wirkte sichtlich genervt, als ich nach der D.O.A.-Scheibe fragte, denn das gelb-rote Albumcover hing aktuell im Schaufenster. Das hieß aufstehen, das Cover abnehmen und die dazugehörige Schallplatte aus irgendwelchen Stapeln heraussuchen. Ich bezahlte 18 D-Mark und fühlte mich, als ich die Platte später zu Hause hörte, irgendwie über den Tisch gezogen, denn das Album war gerade mal 18 Minuten lang. Die zweite Seite hört kurz nach der Hälfte auf, und zu den 14 Songs zählen zwei kurze Zwischenspiele. Dabei machte die 1978 im kanadischen Vancouver gegründete Band mit ihrem zweiten Album nicht nur die Bezeichnung „Hardcore“ bekannter, sondern hatte auch ein exzellentes und aggressives Punkrock-Album abgeliefert. Neben klassischen Vancouver-Punk-Nummern wie „I don’t give a shit“ („Ich bin ein Penner und lebe von der Stütze“, mit lauten Rülpsern im Zwischenteil) gibt es weitere Songs von Sänger und Gitarrist Joey „Shithead“ Keithleys Vorgängerband SKULLS, wie „Bloodsucker baby“ oder „Fucked up baby“, der kurz danach, nachdem der ehemalige Schauspieler Ronald Reagan 1981 der 40. US-Präsident wurde, mit „Fucked up Ronnie“ einen aktuellen Text erhielt, 2016 hieß es natürlich: „Fucked up Donald“. Frust und Hoffnungslosigkeit, wie in „Slumlord“, treffen auf Gewalt, wie in „001 losers’ club“ oder „Smash the state“, und zynische Gesellschaftskommentare, siehe „Unknown“ mit Pianobegleitung oder „M.C.T.F.D.“, wobei die Abkürzung für „Middle class television family daughter“steht. Und es gibt bei „Waiting for you“ sogar erste Hardcore-Anklänge. Das LED ZEPPELIN-Cover „Communication breakdown“ zählt hier eher noch zu den schwächeren Stücken, wobei diese Bewertung relativ ist, denn auch nach vierzig Jahren überrascht mich immer wieder die Energie und Präzision, mit der hier gearbeitet wurde. Dave Gregg blieb bis 1988 D.O.A.-Gitarrist, Bassist Randy Rampage war später Sänger der Thrash-Metal-Band ANNIHILATOR und der damals noch nicht mal 16-jährige Schlagzeuger Chuck Biscuits (BLACK FLAG, CIRCLE JERKS, DANZIG, SOCIAL DISTORTION) lieferte bereits hier großartige Fills.