40 Jahre später: IDEAL

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Der Ernst des Lebens (LP, Eitel Imperial/WEA, 1981)

Galten IDEAL aus Berlin mit ihrem gleichnamigen Debütalbum 1980 noch als „Geheimtipp“, der es, dank geschickter Promotion, sogar in das Vorprogramm von BARCLAY JAMES HARVEST (ein Open-Air-Gig am 30.08.1980 vor dem Reichstagsgebäude vor circa 150.000 Menschen) und auch in die „Tagesschau“ schaffte – dass in den Abendnachrichten über die Vorband berichtet wurde, spricht für sich –, waren IDEAL spätestens mit „Der Ernst des Lebens“ ein prägender Teil der Neuen Deutschen Welle. Im Gegensatz zu „albernen“ Genrevertretern wie etwa UKW waren IDEAL für mich nicht nur die „coolere“ Variante, sondern 1981 im Frontkino mein erstes „großes“ Punk-Konzert. Wobei sich die Punk-Elemente bei IDEAL eher auf die Gitarrenarbeit von Eff-Jott Krüger (später bei den LASSIE SINGERS) beschränkten, der übrigens immer zehn Jahre älter aussah, als er tatsächlich war. Annette Humpe, die unnahbar wirkende Sängerin und Keyboarderin mit der Kapitänsmütze (zuvor bei den NEONBABIES, der Band ihrer Schwester Inga), hatte einige Semester Komposition und Klavier absolviert, während Bassist Ulli Deuker sowie der cool-konzentrierte Schlagzeuger Hans Behrendt vorher in der Jazzszene aktiv waren. Aber cool und kühl sind nicht weit auseinander, da passt ein Titel wie „Eiszeit“ ideal: „Alle Gefühle tausendmal gefühlt / Tiefgefroren – tiefgekühlt / In meinem Film bin ich der Star“ oder „Mich erreichst du nicht“. Gefühlloser Egoismus war nicht nur in mit Neonlampen grell ausgeleuchteten Szenelokalen angesagt, sondern hier wurde auch das spätere Yuppie-Phänomen vorweggenommen. Das Cover der Platte zeigt, wie schon das des Debütalbums, einen kopflosen Menschen. Abgeguckt wurde das bei einem CDU-Wahlkampfplakat aus dem Jahr 1972: Walther Leisler Kiep, der spätere CDU Schatzmeister, springt, mit einem Aktenkoffer in der Hand, über eine Zollschranke. Das eben jener Bundesschatzmeister später als der Mann mit dem Geldkoffer fungierte und in den Parteispendenskandal verwickelt war, aber dann nur wegen eines privaten Steuerdelikts verurteilt wurde, ist dann ein anderes Thema. „Monotonie“, ein relaxter Reggae-Song, ist eine weitere Singleauskopplung und wirkt wie ein Mix aus „Luxus“ und „Hawaii“ von den NEONBABIES. „Feuerzeug“ und „Spannung“ greifen das „Blaue Augen“-Thema auf, mit „Schwein“ gibt es mit Eff-Jott eine Art Update von „Hundsgemein“, aber jeweils ohne die Ohrwurmqualitäten des Debütalbums. Als Geheimtipps gelten „Erschießen“ und „Sex in der Wüste“. Etwas Funk gibt es bei „Spion“ und „Immer frei“ – mit dem tollen Refrain „Mit den Antis dabei“ wieder so ein schönes Yuppie-Lifestyle-Statement.