40 Jahre später: STRAY CATS

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s/t (LP, Arista, 1981)

Ende 1978 verließ der 1959 geborene New Yorker-Gitarrist Brian Setzer seine New-Wave-Band THE BLOODLESS PHARAOHS, um mit seinem jüngerem Bruder Gary und einem anderen Jungen die Rockabilly-Coverband THE TOMCATS zu gründen. Doch bereits 1979 benannte er sie mit zwei neuen Kumpanen um in STRAY CATS. Denn sie waren es irgendwie leid, nur in heimischen Clubs zu spielen, und wollten nichts weiter, als die Welt erobern mit ihrem Neo-Rockabilly-Sound, in dem auch einiges an Punk steckte. Den neuen Namen hatten sie nicht von ungefähr gewählt. Denn während seinerzeit die englischen BEATLES kurz nach Erscheinen ihrer zweiten LP im November 1963 mit Macht über den großen Teich nach Amerika drängten und dort schon im Januar 1964 einen Nummer-eins-Hit hatten, zog es die jungen Yankees in umgekehrter Richtung rüber nach England, um dort zu reüssieren. Dort hing man dann am Londoner Flughafen Heathrow herum wie „streunende Katzen“ und nächtigte mangels Geld bisweilen sogar im Hyde Park. Der Waliser Musiker Dave Edmunds zählte – neben anderen illustren Stars wie Robert Plant oder Mick Jagger – wegen der Gigs der jungen Wilden in London schnell zu den Anhängern des Trios und produzierte auch die erste Single „Runaway Boys“. Praktisch sofort wurde auch die Debüt-LP in Europa ein Favorit des Undergrounds, gepflastert mit Rockabilly-Covern in einem neuen, bis dato ungehörten Sound, wie „Jeanie, Jeanie, Jeanie“ von Eddie Cochran, „Ubangi stomp“ von Warren Smith oder „My one desire“ von Johnny Burnettes Bruder Dorsey. Mit Slim Jim Phantom (bürgerlich Jim McDonnell) am Stehschlagzeug und dem gelernten Kontrabassisten Lee Rocker (bürgerlich Leon Drucker) schepperte sich das Trio durch die unfassbar tolle 12-Track-Scheibe. Aufgenommen wurde es in den Eden and Jam Studios im Londoner Stadtteil Chiswick, wo auch schon Shakin’ Stevens, BUZZCOCKS, MADNESS bis zu den SEX PISTOLS aufnahmen. Ein, wenn auch nicht lupenreines, Cover entdeckte ich übrigens erst viel später: „Fishnet stockings“ hat als Vorlage den Fünfziger-Jahre-Song „Bop bop ba doo bop“ von Lee Williams. Das Frontcover inspirierte sieben Jahre später die Psychobilly-Combo THE QUAKES, die ein fast identisches Bandfoto samt Layout übernahmen. Auch das Backcover blieb nicht ohne Auswirkungen. Dort gibt es neben Haartollen, filterlosen Lucky Strikes und dem umvermeidlichen Rockabilly-Kamm auch Pomade der Marke Nu Nile zu sehen. Später gab es in Spanien nicht zufällig die Band NU NILES. Auch wenn die Platte, die in 64 Versionen erschienen ist, in Millionen Haushalten steht, bleibt sie für mich persönlich ein ewig intimes Erlebnis. Drei LPs für die einsame Insel? Die geht als Erste in den Koffer!