ALEXANDER JASSNER

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Der Lautsprecher-Flüsterer

Alexander Jassner trifft man öfter mal, wenn die Ulmer SICK OF SOCIETY ein Konzert spielen. Er fährt als Live-Mischer mit, wenn kein Hausmischer vor Ort ist und es seine vielfältigen anderen musikalischen Aktivitäten erlauben. Alex unterstützt die Punkrocker seit rund zwanzig Jahren auch gelegentlich als Gastmusiker im Studio oder als Ersatzgitarrist, zuletzt auf der Indonesientour 2016. Ich möchte von ihm mehr über den oft undankbaren Job des Live-Mischers wissen. Kurz vor unserem Telefongespräch ist er von einem Probewochenende mit einem sechzigköpfigen sinfonischen Blasorchester zurückgekommen.

Was war bislang dein nervigstes Erlebnis als Live-Mischer?


Schwierig waren mal die Wünsche eines angetrunkenen Managers einer Band, die ich im Beteigeuze in Ulm gemischt habe. Der Schlagzeuger der Band war ziemlich schlecht. Der hat total unregelmäßig gespielt. Der Manager wollte, dass ich so abmische, dass die Bassdrum nicht so auffällt, und hat mir sogar Prügel angedroht, wenn ich das nicht hinkriege. Nach dem Konzert war der Typ aber so betrunken, dass er die Prügel vergessen hatte. Anstrengend waren auch mal die Bedingungen bei einem PRO PAIN-Konzert im Beteigeuze. Ich war für den Abend angemietet und habe vor dem Soundcheck feststellen müssen, dass die Mitteltöner kaputt waren. Ich habe dann aus der Not heraus als Ersatz Monitorboxen umgebaut. Bei den Vorbands, die ich selbst gemischt habe, hat das auch funktioniert. Ich bezeichne mich gerne mal als „Lautsprecher-Flüsterer“, weil ich oft mit eher schlechten oder kaputten Geräten arbeiten muss, haha. Da muss ich dann herausfinden, wo die Belastungsgrenze der Boxen ist. Der Mischer von PRO-PAIN war aber natürlich hochprofessionelles Equipment gewohnt. Und der hat bei denen dann die Anlage voll ausgefahren. Da habe ich zum ersten Mal erlebt, wie während eines Konzerts Boxen mit Tieftönern durchgebrannt sind. Meine improvisierten Mitteltöner waren dann auch kaputt. Und da hatte ich natürlich keine Chance mehr, irgendwas zu retten. Irgendwann fielen auch noch ein Monitor auf der Bühne und ein Gesangsmikro aus. Es gab dann zwar kein unangenehmes Nachspiel, aber als Vor-Ort-Mischer bist du in diesem Moment trotzdem der Schuldige, auch wenn du eigentlich in so einem Fall nichts dafür kannst.

Klärst du vorab immer ab, was an Technik vor Ort vorhanden ist?

Nein, eigentlich nicht. Das läuft ja oft in solchen reinen Punk-Hardcore-Locations eher auf Amateurniveau. Wenn es bisher mal einen Technical Rider gab, konnte man sich eigentlich eher drauf verlassen, dass die Angaben nicht gestimmt haben. Ich arbeite einfach spontan mit dem, was da ist. Die PA ist immer vor Ort. Ich selbst bringe immer nur einen kleinen Koffer mit Kabeln, Adaptern, Zange, CD-Spieler für Zwischenmusik, Kaltgerätestromkabel und Klinkenkabel mit. Dinge eben, die gerne mal kaputt sind oder einfach fehlen.

Woher hast du das technische Know-how?

Ich habe mir schon mit 14 Jahren, als ich mit Gitarrespielen angefangen habe, Elektronik-Grundkenntnisse beigebracht. Ich habe mir damals ein Röhrenradio zu einem ersten Gitarrenverstärker umgebaut. Ich bin Jahrgang 1964 und Ende der Siebziger war Elektronik noch schweineteuer. Kleine Mischpulte mit wenigen Eingängen haben damals etwa 1.000 D-Mark gekostet. So was kriegst du heute für um die 100 Euro nachgeschmissen. Es war also eine gute Idee, zu lernen, Geräte selbst umzubauen oder zu reparieren. Es ist aber auch so, dass ich ganz gerne ein großer Universalgelehrter wäre, der alles versteht, haha. Dafür hat es zwar noch nicht gereicht, aber in Elektronik, Musikinstrumentengeschichte und Harmonielehre habe ich mich immerhin ziemlich reingefuchst. Das Mischen kam zwecks Homerecording mit einem Vierspur-Yamaha-Kassettenaufnahmegerät dazu, bei dem ein kleines Mischpult dabei war. Das war der Startschuss. Ab da habe ich dann angefangen, bei meinen musikalischen Projekten selbst zu mischen.

Wie siehst du deine Rolle als Mischer?[/b]

Du musst als Mischer definitiv damit klarkommen, dass du bei einem Konzert als aktiv beteiligte Person kaum wahrgenommen wirst. Du bist meistens irgendwas zwischen Hausmeister und Türklinke. Der Mensch hinten im Dunkeln, der im Zweifel auch an allem schuld ist, was schiefgeht. Da bin ich dann schon froh, dass ich beispielsweise auch noch in eigenen Bands als Musiker spiele. Nur Mischen wäre mir persönlich zu wenig. Am Live-Mischen gefällt mir, dass du den Klang gestalten kannst, den die Band alleine von der Bühne aus so nicht hinbekommen würde.

Der Mischer als universeller Problemlöser?[/b]

Genau. Und das finde ich prinzipiell auch okay. Mischen heißt für mich, vor allem wenn wir von Punk-Hardcore-Clubs sprechen, eben nicht einfach nur den Sound zu regeln. Ein großer Teil der Arbeit besteht erst mal darin, wie man die PA zum Laufen bekommt, zu prüfen, welche Mikrofone funktionieren und welche Eigenheiten die Bands mitbringen, die für den Mix relevant sind. Und da tauchen eben kleine und größere Problemchen auf, die man einfach irgendwie lösen muss. Ich sehe mich da auch nicht so sehr als Erfüllungsgehilfe der Bands, sondern als technischen Leiter des Abends. Das Lösen von ungewöhnlicheren technischen Herausforderungen macht für mich tatsächlich auch einen Reiz aus. Einmal hatte ich eine Band da, die eine Schreibmaschine als Schlagzeug eingesetzt haben. Da musst du dir dann echt überlegen, wie man so eine Schreibmaschine mit einem Mikrofon abnehmen soll. Du merkst dann, dass die Leertaste anders klingt als die Buchstaben, haha.

Was machst du sonst noch musikalisch?

Zu viel. Ich helfe hier in der Ulmer Gegend bei einer Rock-Coverband gelegentlich als Sänger aus. Außerdem spiele ich in zwei Jazzbands E-Bass und Tuba. Dann bin ich auch an dem integrativen Theaterprojekt „Heyoka“ mit geistig Behinderten als Musiker beteiligt. Ansonsten springe ich auch immer wieder bei diversen Tanz- und Jazzbands als Bassist ein. Insgesamt sind das mit den Mischerjobs dann schon mal über vierzig Termine pro Jahr.

Wenn man so unterschiedliche Musik spielen will, muss man eben möglichst jede Gelegenheit nutzen, oder?

Ja, absolut. Ich finde diese Wechsel zwischen den Stilrichtungen spannend. Jetzt war ich gerade anderthalb Tage mit Noten und ständigen Taktwechseln auf musikalisch sehr hohem Niveau beschäftigt. Ich brauche dann aber auch schnell wieder mal ein Hardcore-Konzert, wie beispielsweise von AGNOSTIC FRONT, wo ich neulich war.