ALKALINE TRIO

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Ein Album aus der Notaufnahme

Mit „Blood, Hair, And Eyeballs“ erscheint 2024 das zehnte Studioalbum von ALKALINE TRIO. Wir sprechen mit Bassisten und Sänger Dan Andriano darüber, wieso es diesmal fast sechs Jahre gedauert hat, bis ein neues Album erschienen ist, wie es zum Ausstieg von Schlagzeuger Derek Grant kam und was es mit dem Titel auf sich hat.

Die Zeit zwischen „Is This Thing Cursed?“ und „Hair, Blood, And Eyeballs“ ist bei euch die bisher längste Pause zwischen zwei Alben.

Für mich hat es sich gar nicht so lange angefühlt, vermutlich lag es an der Pandemie und dem damit verbunden Lockdown, da stand die Zeit still. Als alles wieder möglich war, haben wir uns erst mal darauf konzentriert, Konzerte zu spielen. Außerdem wollten wir nur ein Album rausbringen, wenn es sich richtig anfühlt und etwas Besonderes ist. 2020 haben wir eine EP veröffentlicht, die daraus entstanden ist, dass wir mit einem potenziellen Ersatzschlagzeuger für eine Tour geprobt haben. Nach der Session kam dann allerdings der Lockdown und wir sind nie auf die geplante Tour gegangen, hatten aber diese Songs fertig.

Ich hatte mich schon gefragt, ob die Seven Inch eine Notlösung gewesen war, weil ihr wegen des Lockdowns vorzeitig das Studio verlassen musstet.
Nein, die Songs gehörten nie zu einem größeren Katalog. Alles, was du auf dem neuen Album hörst, wurde von uns zusammen im Studio geschrieben.

Es ist das erste Mal seit eurem Debüt, dass du und Matt nicht mit ausgearbeiteten Demos ins Studio kamt, oder?
Ja. Beim ersten Album waren wir Freunde, die in einer lokalen Band in Chicago gespielt haben. Wir haben Bier getrunken, geprobt und dabei Songs geschrieben, bis wir irgendwann ein Album zusammenhatten. Dann wurde die Band größer, Matt zog nach Kalifornien und wir mussten anfangen, uns an diese Situationen anzupassen. Matt und ich haben uns immer Demos gesendet und ihnen den fertigen Schliff im Studio gegeben. Diesmal wollten wir es aber wieder wie zu Beginn machen, drei Personen in einem Studio, die zusammen Ideen zu Papier bringen und direktes Feedback voneinander bekommen.

Du hast Soloalben veröffentlicht, warst bei THE FALCON und THE DAMNED THINGS aktiv, Matt wiederum bei BLINK-182, LEKTRON und ande­ren Projekten. Ist dir immer klar, für welches Projekt du gerade schreibst?
Das ist zum Glück noch nie passiert, wenn mir eine Idee kommt, dann weiß ich in der Regel für welches Projekt. Es ging hier darum, die Idee im Moment einzufangen. Wir haben uns nur ein Wochenende in einem Proberaum eingeschlossen und sind dann quasi umgehend ins Studio 606 eingezogen, um an dem Album zu arbeiten.

Wusste ihr von Beginn an, dass es euer letztes Album mit Derek werden wird?
Wir wussten es nicht, aber es war auch keine Überraschung. Wenn du die Band in den letzten Jahren verfolgt hast, wird dir schon aufgefallen sein, dass wir Konzerte ohne ihn gespielt haben, auch wenn er immer Teil der Band war. Als wir dann die Seven Inch mit jemand anderem aufnahmen, fragten wir uns schon, ob wir einen Nachfolger brauchen. Derek einfach zu ersetzen, würde schwer werden, er ist ein fantastischer Schlagzeuger, Produzent und Multi-Instrumentalist. Die wenigsten wissen wohl, dass er jedes Instrument beherrscht und dies sogar besser als Matt und ich. Aber nach der Pandemie kam er zurück und fühlte sich besser, fühlte sich bereit, wieder aktiv dabei zu sein. Der Abstand hatte ihm gutgetan, er spielte wieder Konzerte und kam auch mit ins Studio. Als wir fast mit dem Album fertig waren, hat Derek aber festgestellt, dass es Zeit ist zu gehen. Aber er wird dir die Story besser erzählen können, als ich es kann. Ich respektiere seine Entscheidung und seine Ehrlichkeit uns gegenüber. Er ist unersetzlich, deshalb haben wir auch nicht nach jemandem gesucht, der versucht, wie Derek zu klingen, sondern seinen eigenen Charakter mit reinbringt und mit Atom haben wir so jemanden gefunden. Wir lieben Derek und als er ging, waren wir sehr traurig. Auf seinem letzten Album hat er als Schlagzeuger noch mal alles gegeben und das ist ein wunderbares Abschiedsgeschenk.

Du hattest vorhin schon erzählt, dass ihr im Studio von Dave Grohl aufgenommen habt, wie war es für euch?
Studio 606 ist wohl das perfekte Studio, um Schlagzeug aufzunehmen. Dave hat von NIRVANA über die FOO FIGHTERS bis zu anderen Projekten so viele großartige Schlagzeugspuren aufgenommen und man spürt im Studio seine Liebe zu diesem Instrument. Er hat diese klassische Neve-Konsole, über die schon FLEETWOOD MAC und VAN HALEN aufgenommen haben, was absolut verrückt ist, mit dem Akustik kann man perfekt kraftvolle Songs einfangen. Dave hat dieses Studio unter der Prämisse geschaffen, die Tradition von Rock-Alben fortzusetzen.

Wie das letzte Album habt ihr auch diesmal mit Cameron Webb aufgenommen. Wenn du jetzt sagst, dass ihr im Studio angefangen habt zu schreiben: Wie sehr war Cameron dabei involviert?
Cameron scheut sich nicht, seine Meinung zu äußern. Er hilft mir dabei, mehr Ideen zu entwickeln. Es kann manchmal zu kleinen Unstimmigkeiten führen, aber immer auf einer sachlichen und produktiven Ebene. Insofern war er sehr daran beteiligt, dass wir die Songs fertig bekommen haben.

Was kannst du uns über den Titel erzählen?
Matts Mutter hat in der Notaufnahme gearbeitet und sie hat häufiger gesagt, dass ihre Schicht aus Blut, Haaren und Augäpfeln bestand. Als wir das Album schrieben, ist uns aufgefallen, dass wir ein loses Konzept verfolgen, indem sowohl Matt als auch ich schrieben, als würden wir auf den Weltuntergang zusteuern. Eine Tatsache, die nicht so abwegig ist, wenn man die Nachrichten verfolgt. Wenn man nicht aufmerksam ist und selbst nichts Positives erschafft, sondern sich nur der medialen Flut ergibt, dann kommt man schnell zu der Annahme, dass wir uns in einer globalen Notaufnahme befinden, voll mit Blut, Haaren und Augäpfeln.