BIKINI BEACH

Foto© by Marlene Müller

Declaration Of Fuzz

Für Bands wie BIKINI BEACH sind Gitarrenpedale und Effektgeräte erfunden worden. Die Musik des Powertrios vom Bodensee lebt von Distortion, Fuzz, Echos und Delays. Dreckiger Garage-Rock wie Ende der Achtziger, als Bands wie THE FUZZTONES oder MIRACLE WORKERS ein weltweites Sixties-Revival einläuteten. Mit „Appetizer“ bringen die Fuzzies aus Konstanz ihr sechstes Album heraus, das zweite beim Hamburger Indielabel La Pochette Surprise. Gemischt von einem britischen Kollegen: Billy Lunn, Sänger und Gitarrist von THE SUBWAYS. Wie es zu der Zusammenarbeit gekommen ist und was es in Konstanz sonst noch so gibt, erzählen uns Nils Hagstrom, Charlotte Love und Drummerboy Flip.

Die Plattentaufe von „Appetizer“ habt ihr im Horst in Kreuzlingen in der Schweiz gefeiert. Was verbindet euch mit dem Club?

Nils: Der Horst ist wie unser Wohnzimmer. Ein selbstverwalteter Jugendclub, der von einem Verein getragen wird. Da gehen vielleicht 120 Leute rein und die haben natürlich alle getanzt und viel geschwitzt. Lotti und ich wohnen gleich über die Grenze in Konstanz, das ist direkt neben Kreuzlingen. Mit dem Auto ist man in zehn Minuten dort. Flip wohnt auch nicht weit weg in der Schweiz in Weinfelden.
Flip: Das ist alles wie eine große Stadt. Dass da eine Grenze ist, merkt man gar nicht. Das ist nichts Besonderes für uns. Wenn du direkt am Bodensee entlangläufst, dann gibt es keine Grenzkontrollen, gar nichts. Irgendwann kommt vielleicht ein Schild, dass dich in der Schweiz begrüßt.

Auffällig ist der Sixties-Vibe in eurer Musik. Woher kommt der?
Nils: Vor zehn Jahren bin ich über Künstler wie Ty Segall oder Bands wie OSEES gestolpert. Klassiker wie THE KINKS oder THE SONICS kannte ich natürlich auch. Wenn man sich dafür interessiert, gräbt man immer tiefer und kommt irgendwann in den Sixties an. Da gab es Compilations mit unzähligen Garage-Rock-Bands. Ich habe dann eine Compilation-Platte namens „Back From The Grave“ von Crypt Records in die Finger bekommen, mit all diesen Underground-Sixties-Garage-Punk-Bands. Das hat mich echt umgehauen. Diese Musik ist einfach wild und voller Energie. Außerdem haben etwa die BEATLES nie davon gesungen, welche Klamotten man haben oder welches Auto man fahren muss. Über so einen Scheißdreck haben die nie gesungen. Ich finde die heutige Musik, vor allem Rap, total ätzend.

Nächstes Jahr feiert ihr zehnjähriges Bandjubiläum. Wie hat das alles eigentlich angefangen?
Nils: Ich habe vorher in einer Pop-Punk-Band namens THE JELLY BOYS gespielt im Stil von ALKALINE TRIO. Irgendwann hatten wir zusammen mit Lottis Band ein Konzert, dadurch kamen wir in Kontakt.
Lotti: Meine Band hieß MUCH MORE, das war klassischer Deutschpunk. Die habe ich mit zwei Freundinnen gegründet, als ich 13 Jahre alt war. Das haben wir durchgezogen, bis ich 18 war. Wir wollten immer so werden wie DIE ÄRZTE. Hat aber leider nicht geklappt, haha.
Nils: Dann haben sich meine Band und Lottis Band aufgelöst und BIKINI BEACH sind mehr oder weniger durch Zufall entstanden. Ich wollte einen regionalen Band-Contest gewinnen und habe dafür die Band gegründet. Eigentlich war der Plan, dass wir sie gleich wieder auflösen, nachdem wir in der Konzertmuschel im Stadtgarten von Konstanz vor tausenden von Leuten gespielt haben. Also haben wir einfach mal ein paar Demos ins Netz gestellt. So hatten wir schon vor dem Band-Contest vier Konzertanfragen. Es lief alles optimal, bis auf den Contest, den wir verloren haben, haha. Deshalb haben wir einfach weitergemacht. Dass es irgendwann zehn Jahre werden könnten, hatte keiner von uns auf der Rechnung.

Gibt es in Konstanz und Umgebung eine Bandszene? Gibt es auch viele Verbindungen in die Schweiz?
Nils: Es gibt schon ein paar gute Bands in Konstanz, das sind meistens ältere Herren, die Spaß daran haben, Musik zu machen, aber in der Regel nur Konzerte in der Region spielen. Die haben nicht den Elan, noch was zu reißen. Aber zum Glück sind Schweizer Städte wie Winterthur sehr nah und dadurch verwächst das alles. Mit Bands wie HATHORS, THE JIMMYS oder SICK GUITARS AND TERROR VISIONS sind wir gut befreundet. Jeder kennt jeden.
Flip: Der Mittelpunkt der Szene ist eben der Horst-Klub in Kreuzlingen. Da trifft man sich. Jeder, der eine Band hat, spielt früher oder später dort. Das ist auch der einzige Laden in der Umgebung, wo so was geht. Die haben an zwei oder drei Tagen in der Woche Konzertbetrieb und da trifft man dann alle, die irgendwas mit Musik zu tun haben. Das ist schon sehr cool.

Konstanz habe ich bisher nur über den „Tatort“ wahrgenommen. Habt ihr da zufällig auch schon mitgespielt?
Nils: Gekuckt haben wir den Konstanzer „Tatort“ natürlich. Eigentlich haben wir uns dann ständig aufgeregt, weil die örtlichen Bezüge oft nicht passen. Man fährt über die Rheinbrücke am Bodensee entlang und plötzlich befinden sich die Kommissare irgendwo auf so einer Halbinsel. Das macht gar keinen Sinn und darüber regt man sich als Einheimischer natürlich auf, haha. Aber um als Statist mitzuspielen, war ich einfach zu jung. Als ich mitbekommen habe, dass ein neuer „Tatort“ gedreht wird, war ich vielleicht zehn oder zwölf Jahre alt.

Den Bodensee-Tatort gibt’s auch nicht mehr. Der letzte lief 2016. Der zweite Kommissar Kai Perlmann, gespielt von Sebastian Bezzel, ist ja inzwischen als bayerischer Landbulle Franz Eberhofer erfolgreich. Zurück zum Album: Wer steckt eigentlich hinter dem Song „King Ueli“?
Nils: „King Ueli“ bezieht sich auf den Schweizer Bundespräsidenten Ueli Maurer, der ziemlich verballert ist und oft nur Müll erzählt. Flip hat uns erzählt, dass er live bei CNN war und etwas gefragt wurde. Dabei kann er nur sehr schlecht Englisch sprechen. Ständig hört man im Hintergrund, wie ihm sein Berater etwas hektisch auf Schweizerdeutsch einflüstert. Das war wirklich zum Totlachen. Dann war ich mit Lotti im Proberaum und wir haben diesen Song geschrieben. Deshalb haben wir „King Ueli“ einfach als Arbeitstitel genommen, weil mich der Song auch ein bisschen an KING GIZZARD & THE LIZARD WIZARD erinnert. Am Ende hat Lotti aber noch einen guten Text zu dieser CNN-Geschichte geschrieben, dann hat es gepasst.

Im Song „Traffic lights“ singst du von Ampeln im Kopf. Worum geht es da?
Nils: Ich hatte irgendwann mal eine Schreibblockade, was Songtexte betrifft. Dann habe ich angefangen, meine Vergangenheit nach interessanten Themen zu durchwühlen. Ich bin ja mit einem angeborenen Herzfehler auf die Welt gekommen und musste schon nach vier Wochen notoperiert werden. Meine ganze Kindheit bestand also nur aus Arztbesuchen und meine Eltern waren immer extrem vorsichtig. Ich durfte nicht so viel toben, obwohl eigentlich alles in Ordnung war. Das hat mich natürlich sehr geprägt und darum geht es in „Traffic lights“. Ich hatte durchgehend im Kopf, dass ich mich nicht überanstrengen darf. Als ich mein erstes Konzert gespielt habe, war Verwandtschaft zu Besuch, die danach gesagt hat: „Boah, wie du auf der Bühne abgehst. Früher durften wir nie mit dir toben.“ Das hat mich natürlich schon zum Nachdenken gebracht.

In knapp zehn Jahren Bandgeschichte habt ihr jetzt sechs Alben aufgenommen. Ganz schön viel. Warum seid ihr so produktiv?
Nils: Unsere ersten vier Platten sind wirklich im Jahrestakt erschienen. Wir werden also schon langsamer, haha. Dann hatten wir einen Wechsel am Schlagzeug, deshalb haben wir uns mit Flip erst mal Zeit genommen und ein paar Konzerte gespielt. Mit „Atoll“ sind wir dann zum ersten Mal in ein richtiges Studio gegangen, zu Richard Behrens nach Berlin. Dadurch hat sich der Release natürlich verzögert. Diesmal war natürlich Corona im Weg, außerdem hatte Lotti ein Praxissemester in Hamburg. Darum haben wir für „Appetizer“ fast zwei Jahre gebraucht.
Lotti: Man kann schon sagen, dass wir kleine Streber sind. Wir haben so eine Regel: Eine Idee wird nicht zerredet, sondern wir probieren sie erst mal aus. Das hilft tatsächlich und bremst die Kreativität nicht aus.

„Appetizer“ hat Billy Lunn von THE SUBWAYS gemischt. Wie seid ihr an den geraten?
Nils: Wir saßen bei Flip und haben Fondue gegessen, dabei habe ich zufällig auf Instagram das Angebot von Billy entdeckt, dass man in seinem Studio aufnehmen oder abmischen kann. Davon waren alle begeistert und wir haben auf unsere Anfrage auch gleich eine positive Antwort bekommen. Wir haben ihm dann alle Spuren zugeschickt und er hat uns die fertigen Songs zurückgeschickt. Das lief total super.
Lotti: Als ich 14 Jahre alt war, war ich riesiger Fan von THE SUBWAYS. Für mich war das schon so ein kleiner Fan-Moment. Später durften wir die Band auch noch auf ihrer Deutschlandtour supporten. Das war schon toll.