BLINDSPOT A.D.

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Einmal Inferno und zurück

„Da stand hinter dem Mikro eine Stimme, die kreischte und krächzte, und bei der man von Gesang nicht mehr sprechen kann. Gepaart mit einer Gitarrenwand, die den Raum nur noch erbeben ließ.“ Das schrieb ein Regionalblatt vor knapp fünf Jahren über einen von mir organisierten Gig der crustigen BLINDSPOT A.D. vom Bodensee. Zurückblickend muss man sagen, dass die Masse für die Band aus Friedrichshafen damals nicht bereit war. Sie wird es wohl nie sein. Einige Zeit ist seitdem vergangen, und der Fünfer, der mich schon früh begeisterte, und dessen Krach ich immer noch extrem zu schätzen weiß, ist inzwischen bei Per Koro untergekommen, und so reiht sich sein Name ein in die Reihe so klang- und bedeutungsvoller Bands wie CAROL, SYSTRAL, LOXIRAN oder eben MÖRSER.

Zwar erörtern Sänger Patrick Trieb und Gitarrist Andreas „Andy“ Rosczyk noch, wer denn nun der Chef sei, aber ansonsten lässt der kürzlich erschienene Longplayer „Knowledge vs. Fear“ keine Fragen offen und demonstriert sowohl Per Koro-Kollegen als auch anderen Bands, wie man Crust, Metal, Hardcore & Grind intelligent verbindet. Etwas überrascht war ich, als mir so richtig klar wurde, dass BLINDSPOT A.D., die jahrelang, genauer gesagt von ‘94 bis Anfang ‘98, nur BLINDSPOT hießen und sich nach Neubesetzung an der Gitarre durch Andy kurzerhand das A.D. anhängten, nun das D.I.Y.-Umfeld verlassen haben, aber Sänger Pat beruhigt:
„Ich hatte zu Markus Haas von Per Koro seit 1992 sporadischen Kontakt, und er erzählte mir auf einem Festival, dass er unsere ‚Pain Is Not The Cleanser‘ 7“ recht gut fände. Ich erzählte im Gegenzug von einem geplanten Studiobesuch, um endlich ein komplettes Album aufzunehmen. So kam dann eins zum anderen. Da wir uns nach dem Aufnehmen natürlich auch noch nicht sicher waren, ob Markus nun unsere neuen Stücke gefallen würden oder nicht, haben wir auch weitere Promo-CDs an befreundete oder auch potentielle Wunsch-Labels versendet und bekamen überaus positive Resonanz. Als dann aber Markus meinte, er würde die CD gerne machen, waren wir natürlich aus dem Häuschen. Für eine Band wie uns ist Per Koro wohl das optimale Label, ich kann mir jetzt kein Label vorstellen, das ich mir lieber wünschte.“
Einen Widerspruch zu ihren Wurzeln kann man hierin auch nicht erkennen, traten doch auch namhafte Vorbilder wie TERRORIZER, CANNIBAL CORPSE, ASSÜCK oder COALESCE aus dem Schattendasein des Undergrounds hervor und ließen sich signen, um sich einem breiteren Publikum zu stellen. Wie eben die Bänder dieser Bands, landete auch das Debüt von BLINDSPOT A.D. auf den heiligen Spulen der Morrisound Studios in Florida. Mit etwas Glück steht dem Quintett ein ebenso vom Metal geprägtes Leben bevor, denn nach Gigs mit HIRAX, JANE und SONG OF ZARATHUSTRA kann man durchaus sagen, dass sich die Band ihre Lorbeeren ehrlich erspielt hätte, nur stehen diese eben größtenteils noch aus. Aber jeder, der sich bereits im Publikum dieser Band befand, und ich gestehe, dass ich nur einmal in diesen Genuss kam, wird ihr attestieren, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Allerdings drehte sich auch bei BLINDSPOT A.D. das Besetzungskarussell unaufhörlich. Weiß Pat überhaupt noch, was mit den Ex-Mitgliedern los war? „Drummer Nr. 1 ist nach Hamburg gezogen, Drummer Nr. 2 verlor das Interesse an unserer Musik bzw. tendierte in eine andere Richtung. Bassist Nr. 1 hat einen Tinitus und darf nicht mehr musizieren, Bassist Nr. 2 hatte auch andere Vorstellungen als wir und verließ die Band, Bassist Nr. 3 war von FEAR MY THOUGHTS geliehen und hat mit denen genug zu tun.“
Jedoch wurde für alle Aussteiger würdiger Ersatz gefunden, und auch die zusätzliche Gitarre war mit Sicherheit ein großer Schritt nach vorne. So steht die Band nun nach etlichen Samplerbeiträgen, die es auch über den großen Teich schafften, vielen CD-Rs und Splits mit dem ersten Longplayer in den Startlöchern. Das von André Liegl gestaltete Layout, der sich bereits durch Artworks für Bands wie ACHBORN, LOXIRAN, SYSTRAL oder MAN VS. HUMANITY einen Namen in der deutschen Hardcore-Szene machen konnte, lässt den langhaarigen Sänger noch nähere Auskunft darüber geben: „Derzeit macht André viele Artworks für Defiance-Bands, und die Zusammenarbeit war äußerst produktiv und ein reger, über Wochen andauernder Prozess, der sowohl uns, aber auch André großen Spaß bereitet hat.“
Musikalisch gesehen bekommt man die Höllenpforten nicht wieder zu, und auch textlich werden Akzente gesetzt, die meist sozialkritischer Natur sind, teils apokalyptisch, teils auch ein wenig misanthrop, auf jeden Fall ziemlich verärgert. Viele Texte beschreiben persönliche Erlebnisse und Gedanken, die man festhalten wollte, was auch ganz gut zu der Atmosphäre passt, die man beim Hören der Musik wahrnimmt. So wird zwar überwiegend englisch gekeift, aber auch zur Muttersprache gegriffen; dann wähnt man den Fünfer lyrisch auf den Spuren LOXIRANS. Man hält an seinen Ideen fest, was man der Band hoch anrechnen muss. Abschließend fordert Pat auf, „zu zeigen, dass du die Kraft hast, du selbst zu sein, und dass du es nicht nötig hast, andere zu imitieren und dich an anderen zu orientieren, dass du möglicherweise unter deiner Schädeldecke dieses Fleischgewebe hast, das sich Gehirn nennt.“