BUBONIX

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Positive Energie

Erst als eine der wildesten Live-Bands dieses Landes vor ein paar Jahren auf die Bühne zurückkehrte, war spürbar, wie sehr sie gefehlt hat. Nun bringen BUBONIX mit „Through The Eyes“ nach satten 15 Jahren endlich auch wieder neue Musik raus. Ein Album, das der Wildheit, die wir von ihnen kennen, in nichts nachsteht. Da ist es kaum überraschend, mit wie viel Begeisterung Sänger Thorsten und Bassist Olei trotz personeller Umstellungen von dem Prozess berichten, der zu dieser Veröffentlichung geführt hat.

Es sind 15 Jahre vergangen seit eurem letzten Album. Wie fühlt es sich an, nach so langer Zeit endlich wieder eine Platte zu veröffentlichen?

Olei: Ich bin total geflasht. Wir haben nicht in unseren schönsten Träumen daran geglaubt, wirklich noch mal eine Platte aufzunehmen. Wir haben nach der Reunion 2016 das eine oder andere Konzert gespielt und Thorsten sagte, dass ein neues Album eine tolle Sache wäre. Zeitlich schien das aber schwierig zu sein, weil wir alle so weit auseinander wohnen und Kinder haben. Wir waren aber so angefixt und haben so gebrannt, dass wir gesagt haben: Das kriegen wir irgendwie hin! Und es hat tatsächlich geklappt. Das ist echt der Wahnsinn.
Thorsten: Der Lockdown hat auch dazu beigetragen.

Im positiven Sinne?
Thorsten: Positiv, weil wir viel Zeit hatten, uns online zusammenzufinden und zu reden. Bei diesen Gelegenheiten wurden Pläne gemacht und über Songs gesprochen, die uns geprägt haben und für die uns begeistert haben. So kam der Wunsch auf, wieder eine Band zu sein und Songs zu schreiben. Natürlich war es andererseits eine sehr negative Zeit. In Deutschland war der Lockdown von einer krassen Aggressivität begleitet, mehr noch als in der Schweiz, wo ich lebe. Genau deswegen war es dringend nötig, was Positives mitzunehmen. Ich bin dadurch, dass wir wieder viel Kontakt hatten, auch wieder auf viele alte Bands gekommen. YOUTH OF TODAY, GORILLA BISCUITS und so Sachen. Bands, die eben über die Umwelt und Positivität gesungen haben. Wie kann man sein Leben noch lebenswerter machen und eine positive Message aussenden? Olei war schon immer viel positiver eingestellt als ich. Ich war da immer der negative Crusty. Aber dadurch, dass er mir ein paar Sachen gezeigt hat, konnte er mir was Positives mitgeben. Über YOUTH OF TODAY habe ich Ray Cappo entdeckt und reflektiert, was der für Texte geschrieben hat. Die Leute sehen immer nur die Krishna-Fassade, aber das ist falsch interpretiert worden. Wenn wir das weglassen, geht es um viel mehr. Wie man mit der Szene gut umgehen kann zum Beispiel. Auf jeden Fall dachte ich: Das ist es, was wir in dieser Zeit brauchen. Leute brauchen positive Energie und nicht irgendein abgefucktes Gejammere, wenn schon so viele Leute da sind, die Corona leugnen. Ich habe durch Corona meine Tante verloren, wir alle haben einige Freunde und Freundinnen verloren. Da platzt einem fast der Kragen, wenn du siehst, dass die Leute gegen Corona-Maßnahmen auf die Straße gehen. Und so gesehen sind die Texte der neuen Platte auch eine Art Selbsttherapie.

Mit der Veröffentlichung, die ansteht und den Konzerten, die ihr in den vergangenen Jahren schon gespielt habt im Rücken: Wie blickt ihr jetzt auf die Auflösung zurück?
Thorsten: Wir sind sehr gegenwärtig. Wir haben viel an uns gearbeitet, um nicht immer an der Vergangenheit festzuhalten. Das ist ja sonst, als ob du einen Ex-Partner oder eine Ex-Partnerin nicht mehr loslässt. Wir sind dankbar, dass wir mit den Leuten zusammen Musik gemacht haben und sie kennen lernen durften. Aber nun geht es einfach weiter. Und jetzt haben wir den tollen Sascha getroffen, der auch bei TOXOPLASMA spielt. Der passt zu uns.

Trotzdem bin ich interessiert daran, warum Sarah und Nenad nicht mehr dabei sind.
Olei: Für uns kam das überraschend, weil sie am Anfang noch den Prozess einer neuen Platte begleitet haben. In der Pandemiezeit gab es Veränderungen beruflicher, privater und gesundheitlicher Natur. Von daher ging das leider nicht mehr. Wir haben versucht. die beiden zu halten, aber es sollte leider nicht sein.

Ihr habt schon ein paar Konzerte in der neuen Konstellation gespielt. Ist es live jetzt anders als früher?
Thorsten: Bei den alten Songs fällt auf, dass Sarah nicht da ist. Das hat so eine brutale Power gehabt, sie war echt beeindruckend. Auch als Persönlichkeit. Es ist dennoch auch jetzt extrem geil und macht uns Spaß, sonst hätten wir keine Platte aufgenommen. Wir sind eine Band. Uns sind der Spaß und der Zusammenhalt der Band extrem wichtig und das Publikum macht die Party gemeinsam mit der Band. Das erste Konzert zu fünft war das „Drop The Knife“-DIY-Festival 2022 in Solingen und das war sehr schön. Wir sind zwar älter geworden, haben aber immer noch so eine Euphorie und Dankbarkeit, wenn jemand so was organisiert. Wir waren noch nie ignorante Menschen, eher dankbar und offen. Wir wollten Sachen entdecken. Da haben so tolle Bands gespielt, die ich noch nicht kannte. Warum soll ich mir denn immer Bands angucken, die ich schon gesehen habe oder die ich schon auf Platte gehört hab? Wir haben auf jeden Fall sehr viel Spaß, auch bei den Proben. Die Hülle ist gealtert, aber das ist nur das Äußere.

Beim Vergleich der letzten Platte „Capsaicin“ mit „Through The Eyes“ ist auffällig, dass die neue deutlich wilder und straighter klingt. Wie war die Herangehensweise an die neuen Songs?
Thorsten: Unkompliziert. Das Krasse ist, wir haben gar nicht diskutiert. Das gibt es wirklich selten und ist ein Traum. So habe ich das noch nie erlebt. Wir waren immer eine Band, die viel diskutiert und Sachen auch kaputt diskutiert hat. Bei „Please Devil, Send Me Golden Hair“ und vor allem auf „Capsaicin“ hört man das wahrscheinlich auch. Da sind so viele Parts mit einer gewissen Erwartungshaltung. Das haben wir diesmal alles rausgelassen. Wir sind mit dem Auto ins Blaue rausgefahren, haben spontan angehalten und uns eine gute Zeit gemacht. Vom Prinzip her wurde jeder Input dankbar angenommen.
Olei: Eingangs haben wir gesagt, dass die ganze Sache vielleicht auch dem Lockdown geschuldet ist. Wir waren total Feuer und Flamme, wenn wir mal wieder proben dürften. Erst mal haben alle draußen einen Test gemacht und ein Bierchen getrunken und wenn der Test negativ war, sind alle reingerannt und wollten die Zeit geil nutzen. Der Energiefluss war magic und zack, waren die Songs fertig. Wir konnten direkt Aufnahmen an Thorsten schicken und bei der nächsten Probe hat das gesessen.
Thorsten: Wir waren so im Fieber. Wenn ich mal eine längere Pause auf der Arbeit hatte, bin ich in den Proberaum gefahren und habe da etwas eingesungen. Und wenn ich einen Text gefühlt habe, habe ich ihn direkt auf der Arbeit abgetippt. Das ist wie Hunger zu haben und sofort essen zu können.

Im Presseinfo steht, dass ihr mit einer gewissen Naivität an die Platte herangegangen seid. Was heißt Naivität in dem Zusammenhang?
Thorsten: Nicht mit Dummheit verwechseln. Das hat damit zu tun, dass wir uns wieder so gefühlt haben wie damals, als wir noch nicht so szenebewandert waren. Wenn du Musik neu entdeckst und anfängst, dich im Punk zu sozialisieren, kennst du ja noch nicht die kleinen Abspaltungen und alles ist neu und interessant. Du fühlst dich einfach als Teil der Rebellion und wirst von Sounds, Riffs und Texten abgeholt. Genau so sind wir da rangegangen. Wir haben uns zurückbesonnen und es so gemacht, wie es war, als wir uns kennen gelernt und dafür gebrannt haben. Die ganzen negativen Aspekte, die uns an Punk und Hardcore überhaupt nicht gefallen, haben wir ausgeblendet und uns darauf zurückbesonnen, wo wir angefangen haben. Darin lag die Naivität. Das mag irgendwer als blöd oder dumm darstellen, aber es hat uns eine immense Freude gegeben.
Olei: Laut Google bedeutet naiv: von kindlicher Unbefangenheit. Das trifft es. Wir haben uns gefühlt wie mit 16. Der Prozess war sehr frei und es hat gesprudelt. Ganz ohne Masterplan, wie eine bestimmte Band klingen zu wollen oder so was.

Habt ihr die Platte bewusst so kompakt gehalten?
Thorsten: Das war unser Output. Mehr Songs wären wie Fremdkörper gewesen, die nur drauf sind, um Spiellänge zu füllen. So ist das eine runde Sache.
Olei: Wir reden die ganze Zeit darüber, wie krass wir für dieses Album brennen. Aber man muss auch sagen, dass wir uns alle koordinieren müssen und teilweise Wochen ins Land gezogen sind, bis wir wieder zusammenarbeiten konnten. Wir haben uns immer sehr gefreut, wenn Thorsten mal vorbeikommen konnte. Da gab es dann noch mal einen Schmelztiegel an Kreativität. Da konnten wir alle unsere Köpfe zusammenstecken. Es lief alles über zwei Jahre und viel mehr konnten wir in dieser Zeit nicht leisten. Die Songs, die rausgesprudelt sind, wollten wir präsentieren und da unser Herzblut reinstecken.

Es ist auffällig, dass es in vielen Songs darum geht, wie ein Leben geführt werden kann oder geführt werden sollte, auch um das Miteinander.
Thorsten: Ja, es geht um Unity. Das war mir ganz wichtig, weil wir das schon früher so gelebt haben.
Olei: Wir haben viel reflektiert, wo wir herkommen und was damals unsere Einflüsse waren. Das Gleiche gilt für den Zusammenhalt, den wir schon früher gelebt haben und der während der Corona-Zeit wieder rausgekommen ist. Da haben wir viel Energie und Power rausgezogen. Es hat uns beflügelt, wieder so an die Platte ranzugehen. Zusammenhalt spüren wir auch beim Thema Label. Wir sind mit Rookie und Kidnap zusammengekommen, weil wir uns von früher aus SPERMBIRDS- und PASCOW-Zeiten kennen. Alex von PASCOW und Kidnap hat uns mal gesagt, dass PASCOW in das Studio 45 gegangen sind, wo wir immer waren, weil sie „Please Devil, Send Me Golden Hair“ gehört haben und die so gut fanden. Jetzt machen wir eine Platte bei ihrem Label.
Thorsten: Das ist ein richtig schönes Netzwerk. Dazu zählt auch dieses Interview mit dem Ox, oder dass Rauti, der die „Kochen ohne Knochen“-Bücher illustriert hat, unser neues Video gemacht hat. Die Bücher und das Ox haben uns geprägt.

Ihr habt gerade erzählt, dass ihr mit Rookie Records und Kidnap Music eine neue Labelheimat gefunden habt. Aber wieso nicht mehr Noisolution? Da sind ja die letzten beiden Platten vor der Auflösung rausgekommen.
Thorsten: Wir sind eine Punk/Hardcore-Band und wir wollten auf ein Punk/Hardcore-Label und zu Leuten, die damit auch etwas zu tun haben. Das heißt nicht, dass Noisolution-Arne keine Ahnung von der Materie hat. Wir wollten einfach einen Wechsel haben. Ich habe Jürgen von Rookie vor einer Weile eine Band vorgeschlagen und gefragt, ob er Interesse hätte, die rauszubringen. Er meinte, er hat alles zu, hat aber gefragt: „Thorsten, was ist eigentlich mit BUBONIX? Gibt es da was?“Und da habe ich gesagt: „Ja, wir proben und haben vielleicht ein paar Songs ...“ Und er sagte: „Sofort rüberschicken, ich habe Interesse!“ Wenig später kam Alex ins Spiel, der auch nach BUBONIX fragte. Dann habe ich die zusammengeführt, weil ich mir dachte, warum sollten Leute, die sich toll finden, nicht miteinander arbeiten. Ist ja logisch, oder?

Noch mal zu den Texten: Sie sind keinesfalls nur positiv.
Thorsten: Die Texte handeln auch vom Tod. Bei der neuen Single „Fear of death“ zum Beispiel. Es geht darum, dass man sich mit dem Tod auseinandersetzt und ihn immer vor Augen hat und das Leben in jeder Sekunde schätzt. Das hört sich jetzt so christlich an, das sind wir aber absolut nicht. Es sind Leute aus unserem Umfeld in der Corona-Zeit gegangen. Es ist all dem gewidmet, was rund um den Tod passiert ist, auch in der Ukraine. Es geht um ein Mitgefühl mit den ganzen Krisen auf der Erde. Wir sind dankbar, dass wir in Gefilden leben dürfen, in denen wir nicht für Punkrock eingeknastet werden. Es ist eine Herzensangelegenheit, Punk machen zu dürfen, sich äußern zu dürfen und zu sagen, was uns nicht passt. Das wird einem vielleicht erst bewusst, wenn man sich etwas damit auseinandersetzt. Ich war früher ein sehr negativer Typ, der aufgestanden ist und schon mies drauf war, weil alles so scheiße ist. Andere haben aber kein Dach über dem Kopf. Darum geht es in „Dedication“. Wir haben Geflüchtete in der Familie aufgenommen und konnten die Leute richtig kennen lernen. Ich bekomme da Demut. Das hatte ich so noch nicht. Das heißt nicht, dass ich mich klein mache und dafür entschuldige, wo ich aufgewachsen bin, aber man wird wirklich dankbar. Das ist nicht nur eine Phrase, die im Punk gesungen werden muss. Das kommt von Herzen und es geht darum, dass man die Leute wirklich integriert. Das Wort Toleranz hat hier nichts zu suchen. Akzeptanz ist das, was die Leute verdient haben. Toleranz bedeutet, dass etwas geduldet wird. Wir sind hier für Akzeptanz.