CLOAKROOM

Foto© by Vin Romero

Mit der Gitarre zum Mars

Das neue Album von CLOAKROOM ist ein Konzeptalbum, eine Science-Fiction-Story. Kurz: Ein Weltraum-Bergmann hält mit seinen Liedern das Weltall am Laufen. Dass man dies nicht mal eben so erklärt, weiß auch Sänger und Gitarrist Doyle Martin.

Dissolution Wave“ ist ein Konzeptalbum. Kannst du uns erklären, wovon es handelt?

Nun, ich mochte den Begriff „Weltraum-Western“ sehr, als ich ihn zum ersten Mal irgendwo las, wahrscheinlich im Zusammenhang mit Philip K. Dick. Es ist eigentlich ein eher abwertender Begriff für all diese Siebziger-Jahre-Rachegeschichten, die im Weltraum spielen, nicht unähnlich dem Begriff „Shoegaze“ in der Musik. In der Zeitlinie unseres Protagonisten wird der Umfang der ihm bekannten Realität durch die Dichte und Qualität der von der Menschheit angesammelten abstrakten Gedanken vorangetrieben. Das Konzept wurde von einigen Ausreißern locker anerkannt, wird aber bald von der Zeit vergessen werden. Ein Lied zu schreiben, ein Bild zu malen, nur das kann das Licht anhalten.

Ich habe gelesen, es geht um eine „Auflösungswelle“, die alles auslöscht, was die Menschheit an Kunst und abstrakten Gedanken hervorgebracht hat – wäre das letztendlich gut oder schlecht? Sicher, der Verlust wäre gigantisch, aber andererseits könnte die Menschheit von vorne anfangen und es vielleicht besser machen?
Man könnte die Welle mit dem Beginn eines neuen Zeitalters oder einer neuen Epoche vergleichen. Es ist schon einmal geschehen und es wird wieder geschehen. Lieder wurden komponiert, zerlegt, eingeschmolzen und wiederverwertet, aber auch ganz und gar vergessen. Was zählt, ist die Absicht, woher der Gedanke in dieser Kosmologie stammt, sowie sein karmischer Wert. Ist die Melodie ein Paarungsruf oder eine kleine Pyramide, die vor dem Auge des Todes verweilt? In „Dissembler“ schreibt unser Protagonist: „Ich wurde ein Kaktus auf einer zahmen und sich erwärmenden Welt.“ Ich stelle die These auf, dass unser Liedermacher in diesem Zeitalter des Daseins selbst als diese elementare Lebensform noch abstrakte Gedanken verbreiten konnte, indem er eine Melodie summte, die nur seine Kakteenfreunde hören konnten.

Wenn du über Figuren schreibst, die du dir in deiner Musik ausgedacht hast, wie viel von dir steckt dann darin? Immerhin ist der Hauptcharakter ein Astroiden-Bergmann, der Lieder schreibt ...
Es ist sicherlich einfacher, sich abzuschotten oder mittels der Musik der Wirklichkeit zu entfliehen, als seine Beschwerden über die reale Welt in Liedern zu verarbeiten. Der Asteroiden-Bergmann könnte genauso gut ein Heringsfischer oder ein Ice Road Trucker sein. Der Protagonist sucht sich eine Nische in diesem kalten Universum, und in der wenigen Freizeit, die ihm bleibt, versucht er, eine ansprechende Melodie zu komponieren. Ohne dass er es merkt, hält dieser Prozess die Zahnräder des Kosmos am Laufen. Wenn man mich zur Kolonisierung auf den Mars schicken würde, müsste ich auf jeden Fall eine Gitarre mitbringen, sonst geht das nicht.

Ich frage mich, was zuerst da war – die Musik oder die Idee hinter dem Album? Und hast du das Gefühl, dass sie sich gegenseitig beeinflusst haben? Würdest du zum Beispiel lieber einen Song umarrangieren oder den Text neu schreiben, wenn du das Gefühl hast, dass es nicht passt?
Was war zuerst da, das Huhn oder das Ei? Ich gehöre zu denen, der eine einfachere Lösung bevorzugen, also schreibe ich natürlich die Texte um. Bei dieser Platte war es aber oft so, dass der Text oder sogar das Summen in ein Sprachmemo die Grundlage für einen Song bildete. Ein großer Teil der Qualität dieses Albums lässt sich darauf zurückführen, dass ich regelmäßig durch einen Schneesturm fahren musste, um die Bar zu öffnen. Das ist ein zwanzigminütiger Arbeitsweg und hoffentlich werden zwanzig Minuten dreimal pro Woche über ein paar Monate ein paar brauchbare Ergebnisse hervorgebracht haben, das Komponieren musste dann am Morgen geschehen, nicht am Abend.

Ich habe das Gefühl, dass Konzeptalben anders klingen, weil es mehr zu erforschen gibt, mehr, in das man als Hörer eintauchen kann. Siehst du das auch so? Welches ist dein Lieblingskonzeptalbum und warum?
Genau darum geht es! „The Point!“ von 1971 ist so abgedreht wie alles, was Harry Nilsson komponiert hat. Es gibt dazu auch einen Animationsfilm in Spielfilmlänge, der ebenfalls erwähnenswert ist. Ich glaube, der ist für Kinder? Nilsson beschönigt die Entstehung dieses Konzepts nicht wirklich. „Ich war auf Acid und mir fiel auf, dass alles irgendwie eine Spitze hat, spitze Bäume, spitze Menschen, spitze Dächer ...“ Seine Hauptfigur Oblio ist ein Junge, der keine Spitze hat, und sich mit seinem vierbeinigen Freund Arrow auf die Suche nach einer solchen begibt; gesprochen von Dustin Hoffman und Ringo Starr. Konzeptalben können buchstäblich Höhen und Tiefen haben, Landschaften, Zivilisationen, Religion.