Cover-Ikonen: NAPALM DEATH

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Scum (LP, Earache, 1987)

Nach diversen Besetzungswechseln, auch während der Aufnahmen, markiert NAPALM DEATHs Debütalbum „Scum“ einen weiteren Schritt weg von den zu Bandgründungszeiten noch recht dominanten Crustpunk-Einflüssen hin zu einer heftigeren, schnelleren und härteren Gangart, die später unter dem Namen Grindcore sowohl in Teilen der Hardcore- als auch der Metal-Szene abgefeiert werden sollte. Der Legende nach mit einem Guinness-Buch-Eintrag für das kürzeste jemals aufgenommene Lied bedacht – etwas weniger als zwei Sekunden, in denen Frontmann Lee Dorrian „You suffer / But why?“ herausknurrt –, so treiben NAPALM DEATH das Spiel mit brutal verkürzten politischen Botschaften mit diesem Album auf die Spitze. Ja, die Existenz dieses Eintrags darf bezweifelt werden, warum sollte eine Band, die Zeilen wie „Multinational corporations / Genocide of the starving nations“ schreibt, sich in eine von einem multinationalen Konzern herausgegebene Sammlung von Belanglosigkeiten eintragen lassen?

Aber egal, um die Kritik an einem rücksichtslos auf Profit ausgelegten Systems geht es jedenfalls auch auf dem Albumcover, das Gitarrist Bill Steer bei seinem CARCASS-Bandkollegen und -Frontmann/Bassist Jeff Walker in Auftrag gab. Schlagzeuger Mick Harris, tatsächlich das einzige Bandmitglied, das auf beiden Albumseiten mitspielt, übernahm schließlich die Koordination: „Mick gab mir ein paar kurze Infos darüber, was er wollte – eine Art hierarchisches Ding mit Totenköpfen unten, hungernden Kindern, Firmenlogos und Geschäftemachern oben“, erinnert sich Walker in einem Revolvermag-Interview, „aber ich habe versucht, es mehr in die Metal-Richtung zu lenken, indem ich ein bisschen bei CELTIC FROST geklaut habe. Die Totenköpfe stammen von einem SIEGE-Flyer.“

Alles wurde zunächst im Format 50 x 50 cm mit Bleistift vorgezeichnet und anschließend mit Tinte nachgetüpfelt. „Es hat verdammt lange gedauert“, sagt Walker dazu, „ich habe irgendwann nicht mehr geglaubt, jemals damit fertig zu werden. Damals waren diese Dinge noch echte Kunstwerke, liebevolle Arbeiten.“ So thront, in seiner pyramidalen Formation an Abbildungen der perfekten kleinbürgerlichen oder auch der heiligen Familie erinnernd, die CELTIC FROST-Fledermaus wie ein Todesengel über gierig stierenden Anzugträgern und einer ausgemergelten traditionell afrikanisch gekleideten Familie, unter ihnen ein Meer von Totenschädeln mit eingestreuten Logos großer Firmen, im Hintergrund eine langgezogene Fabrikanlage. Über Für und Wider von gutturalem Kehlkopfkrebsgarantie-Gegrunze und Speedfixiertheit lässt sich bekanntlich streiten, über die grundlegende Anticorporate-Haltung, die sich wie ein roter Faden durch alle Ebenen des Albums zieht, meiner Meinung nach nicht.