Dafür / dagegen: Lange Konzerte

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Kurze Shows haben was: 35, 40 Minuten und fertig. Gehen, wenn es am Besten ist, bevor eine Band anfangen kann zu nerven. Aber die magischen Momente ergeben sich vielfach erst dann, wenn eine Band – nicht gerade OFF!, die sind sowieso nach 30 Minuten fertig – sich auf der Bühne ausbreiten, sich und das Publikum warmspielen kann. Dennoch, es ist eine grundsätzliche Frage, über die wir uns hier Gedanken gemacht haben.

Dafür


Es ist ja so leicht, über zu lange Konzerte zu meckern, aber wenn man ehrlich ist, sind es oft die endlos langen Auftritte mancher Bands, die einem nachhaltig in Erinnerung geblieben sind. Wenn passiert, was nicht immer passiert, was aber dann, wenn es passiert, um so beeindruckender ist: dieses Eintauchen und Versinken in die Musik einer Band. Vor vielen Jahren mal drei Stunden EA80 im Druckluft in Oberhausen, das war eine Prüfung, blieb aber in Erinnerung. NOMEANSNO, die nicht von der Bühne wollten. Zwei Stunden KREATOR in der Gruga-Halle. Oder gerade neulich erst DŸSE mit einem epischen Auftritt. Ja, das strengt an, ja, man hängt dann irgendwann in den Seilen, ob mit oder ohne Alkohol, man will irgendwie, dass es vorbei ist, aber irgendwie auch nicht. Es geht weiter und weiter, und man ist irgendwann im gleichen Fieber wie die Band. Das sind die Konzerte, an die ich mich nachhaltig erinnere, die ich nicht eher buchhalterisch abhake: dagewesen, Band gesehen, Meinung gebildet, Abgang. Klar, nicht jede Band hat das Potential, da oben so einen Strudel zu entfachen, der die Leute mitreißt, oft genug gibt es das jeden Abend gleiche Standardprogramm oder der Spannungsfaden reißt. Aber wie so oft gilt auch hier: nur wenn man was riskiert, hat man die Chance auf das Ungewöhnliche, Beeindruckende, Unkalkulierbare. Und genau das macht den Reiz von Livemusik ja aus (sofern nicht die Hallenmanager auf die Uhr schauen). Und wem es zu lange dauert, der hat ja – außer es ist die Vorband, die nicht weichen will – ja jederzeit die Option, einfach zu gehen. Was bei Konzerten mit PKW-Anreise für mich übrigens die Attraktivität der Fahrer-Position erhöht, denn wer fährt, der bestimmt. Und zudem hat das Rausschleichen während des Zugabenblocks den Vorteil, dass dann Merchstand und Garderobe oder die nervige Verzehrkartenabrechnung ruckzuck erledigt sind, und bei Riesenkonzerten umgeht man zudem noch den halbstündigen Stau bei der Abfahrt.

Joachim Hiller

Dagegen

Ich meine mich zu erinnern, Anfang der 90er Jahre auf einem Konzert der SPERMBIRDS gewesen zu sein, die dann um 2:00 Uhr nachts angefangen haben. Vielleicht war es auch 0:00 Uhr. Aber früher nicht. Die Warterei war damals nicht unbedingt nervig für Leute, die sich mit ihren Freunden feuchtfröhlich zuknallten. Manche hatten aber Pech, weil sie schon eingeschlafen waren, als es losging. Auch wach hätten sie allerdings nichts mehr mitbekommen. Nun habe ich vor ein paar Jahren eines Tages plötzlich festgestellt, dass ich quasi Straight Edge lebte. Deshalb würde ich die Warterei auf einem solchen Konzert ganz sicher nicht mehr ertragen. Die vergangenen Jahre habe ich allerdings eine zunehmende Disziplin festgestellt, die „timetables“ werden im Großen und Ganzen eingehalten – insbesondere im Hardcore. Und dort oft auf die Minute. Und das gefällt mir äußerst gut. Wenn es dann nicht mehr als zwei Bands zuzüglich höchstens einem lokalen Support sind, bin ich glücklich. Nervig wird es dann, wenn beim Einlass dann bekannt wird, dass plötzlich fünf Bands spielen. Wobei sie es letztens durch die straffe Zeitplanung auch geschafft haben, dass ein Konzert von TERROR um 22:30 Uhr vorbei war. Gerade die Band ist ein Beispiel für das, was ich mir wünsche. Sie spielen als Headliner immer 35 Minuten lang. Ein kurzes Set, dafür umso energiegeladener. Völlig genervt war ich letztens auf einem Konzert mit zwei kanadischen Bands in einem selbstverwalteten Juz, das keine Nachbarschaft und so auch keine Auflagen hatte. Die „regionale“ Vorband interessierte keinen Menschen und doch spielten sie weit über eine Stunde, wesentlich länger als die Hauptband. Die ich dann gar nicht ganz sehen konnte, um noch den letzten Zug zu erwischen. Und wenn ich mich gar an die TOTEN HOSEN in den 90ern erinnere – es waren über zwei Stunden (Vorband: UK SUBS – 20 Minuten). Heute wäre mir das ein Graus.

Roman Eisner