Dafür / dagegen: Mitklatschen

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„Und jetzt alle!“ So fängt es meist an: Der Schlagzeuger stampft weiter, Bassist und Gitarrist setzen aus, der Sänger macht den Vortänzer, und (nicht) alle machen mit. Es darf (mit)geklatscht werden, die Emotionalsten haben vor Ergriffenheit Pippi in den Augen, andere gehen bewusst jetzt aufs Klo, wenn dieser „Life is live“-Moment (frei nach OPUS) gekommen ist, sogar auf Punk- und Hardcorekonzerten wird das mittlerweile zelebriert. Wir erörtern, wo die Hände hingehören: in die Luft oder in die Hosentaschen?

Dafür


Hält man sich an TOCOTRONIC und ihre Worte „Es gibt nur cool und uncool und wie man sich fühlt“, dann kann man wohl keine Pro-Haltung zum Mitklatschen einnehmen. Die Szenepolizei vertritt zu diesem Thema eine klare Meinung. Auf einem Punkkonzert hat das nichts verloren, noch nicht einmal aus purer Ironie, schließlich ist Ironie sowieso nur ein tölperhafter Versuch, einen Schleier über die persönlichen „guilty pleasures“ zu legen. Wer die Hände im oder alternativ neben dem Takt schwingen und aneinander hauen will, der möge zu einem Konzert von Robbie Williams gehen. Es ist uncool. Doch so wichtig die Coolness unbestreitbar ist – es wird doch ständig übersehen, dass dem Mitklatschen ein Wesenszug innewohnt, der enorme Vorteile hat. Zum Klatschen braucht man beide Hände. Beide. Diesen Umstand kann man gar nicht genug betonen. Die logische Folge ist nämlich: Wer begeistert in die Hände klatscht, kann währenddessen nichts anderes damit machen. Es erfordert ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit, das bei mangelndem Taktgefühl nur ansteigt. Meiner nicht so bescheidenen Meinung nach ist das ein ungeheurer Segen. Wer gerade emsig klatscht, der kann mir nicht mein Bier aus der Hand rempeln. Wer gerade emsig klatscht, der kann die Band nicht filmen, fotografieren und das kümmerliche Ergebnis auf irgendeine obskure Weise durch den Cyberspace jagen. Ebenso wenig können mich Handakrobatikenthusiast*innen parallel auf überaus lästige Weise mit ihrer Liebe zu ihrer Begleitung behelligen, als wäre man gerade in einem Autokino. Die kurzen Phasen der Mitklatscherei bilden kleine Oasen, inmitten all des anderen durchaus menschlichen, aber kaum entschuldbaren Konzert-Verhaltens. Und wende ich den Blick von mir und meinen Abneigungen ab, so muss ich doch auch sagen, dass es irgendwie rührend ist, wenn eine Band, die doch niemals Songs zum Mitklatschen schreiben wollte, mit Augen voll Freudentränen selig lächelnd in die Menge schaut, die dieses einstige Vorhaben in genau diesem Moment torpediert.

Bianca Hartmann

Dagegen

Es ist schon ein paar Jahre her, da war ich beruflich bei einem Volksmusikfestival irgendwo in den steirischen Alpen. Lederhosen, Schunkelsongs, Mitklatsch-Rhythmen. Da wurde geklatscht, das glaubt ihr nicht. Nur wenig später war ich privat beim Musikantenstadtl, gut getrunken wurde da, gut geschunkelt, gut geklatscht, sogar von mir. Man war jung, man war betrunken, es war Volksmusik. Und da gehört sie auch hin, diese ganze Klatscherei. Auch schon ein paar Jahre her, da besuchte ich ein Indie-Festival im Burgenland. Allerhand Gitarrenbands haben da gespielt und – warum auch immer – IN FLAMES. Ich bin kein Szene-Kenner, aber für mich waren die dennoch immer der Inbegriff massentauglichen aber trotzdem bösen bösen schwedischen Death-Metals.

Der Gig ist dann vielleicht ein wenig glatt, aber doch ganz geil, und plötzlich tut der Sänger das, was ein Metal- oder Punkrocksänger niemals tun sollte. Er reißt die Hände in die Höhe, beginnt zu klatschen und zehntausend Hände klatschen mit. Das gehört hier nicht hin, darf hier nicht sein, passt einfach nicht. Klatscht bei Helene Fischer, wenn ihr wollt, bei einer Metalband lasst das aber bleiben. Bei Punkrockshows pogt euch die Nasen blutig, springt von Bühnen, werft euch in den Circle Pit, und wenn ihr es schon übertreiben wollt, dann macht halt eine Wall of Death. Ist auch kacke, sieht aber ganz geil aus, wie etwa bei einer SICK OF IT ALL-Show im Open-Air-Bereich der Arena Wien, als ich mir das von oben ansehen konnte. Wenn sich dann aber die gleiche Menge an Menschen stattdessen die Hände blutig klatscht, sieht das alles andere als geil aus. Das ist FPÖ-Bierzelt-Schwachsinn und Oktoberfest-Wiesn-Quatsch. Ebenso daneben: Mitmach-Action jeder Art. Ist das noch Punkrock? Nein!