DANGERFACE

Foto© by Erik Furulund

Entschuldigung meine Dusche

2019 kam auf Big Day Records „Get Loud!“, das erste Album der aus der westnorwegischen Hafenstadt Stavanger stammenden DANGERFACE. Dann kam eine Pandemie und lange nichts und nun ist auf dem in Oslo ansässigen Label Fysisk Format „Be Damned“ raus, der Nachfolger. DANGERFACE sind eine jener Bands, die es über Albumdistanz schaffen, den Druck zu halten, die Geschwindigkeit, die Intensität. Und ihr Frontmann Mike hat ein dermaßen wildes, hysterisches Kreischen drauf, dass hier permanent Alarm und Krawall ist, man über die Distanz von zehn Songs quasi nicht zum Luftholen kommt. Mike und Steinar beantworteten meine Fragen.

Wie ging das los mit DANGERFACE?

Mike: Die Dangerstory begann damit, dass Steinar und ich uns 2015 nach einem Musikfestival zufällig in einer Bar trafen und uns darüber unterhielten, wie sehr wir es vermissen, in einer Band zu spielen. Übrigens im gleichen Laden, dem Martinique, fand später auch die Release-Show von „Get Loud!“ statt! Bald sprachen wir darüber, zusammen eine Band zu gründen, denn obwohl wir ganz unterschiedliche Musik mochten, hatten wir beide Lust, etwas in Richtung Scandipunk zu machen, so wie GHOST OF A THOUSAND, REFUSED, BRONX, GALLOWS, AT THE DRIVE-IN ... Wir fanden dann Verstärkung in dem großartigen Jan Eirik Forland und damals waren auch noch Thomas Nilsen und Bendik Tønnesen dabei, und so wollten wir versuchen, etwas auf die Beine zu stellen. Nachdem wir eine Weile gejammt und erste Songs fertig hatten, waren wir schließlich überzeugt, dass wir unseren eigenen, einzigartigen Sound in diesem Genre gefunden haben, und beschlossen, ein Album rauszubringen.

Ihr seid aus Stavanger ... was gibt es zur Musikszene dort zu sagen?
Steinar: Aus Stavanger stammen so internationale Acts wie KVELERTAK und SLUTFACE. Es kommt also definitiv großartige Musik aus dieser kleinen Stadt. Und die lokale Szene entwickelt sich immer weiter, mit tollen Bands wie AUTONOMIE, POOR BAMBI, ENGSTELIG.

Euer Label bewirbt euch mit „aus der Heimatstadt von KVELERTAK“. Ist es eine Last, eine Ehre, ein guter Hinweis?
Steinar: Natürlich ist es eine Ehre. KVELERTAK haben einen einzigartigen Crossover aus Black Metal, Punkrock und Popmusik geschaffen, und es klingt einfach fantastisch – das ist Können pur! Mit ihrem Stil haben sie unzählige Musiker auf der ganzen Welt inspiriert. Dadurch haben sie vielen Bands Türen geöffnet, auch uns. Sie konnten ein breites Publikum ansprechen und wir sind stolz, aus derselben Stadt zu sein. Volltreffer!

Ich habe mal gelesen, dass es in den ländlichen Regionen an der norwegischen Westküste ganz schön bekloppte Christensekten gibt. Irgendwelche Erfahrungen mit denen?
Mike: Haha, normalerweise haben wir nichts mit Christen zu tun, denn wir sind alle Atheisten. Von mir aus können die Leute glauben, woran sie wollen. Sogar an einen alten bärtigen Kerl, der sie ohne Gleitmittel in den Arsch fickt. Aber als CANNIBAL CORPSE hier in der Nähe gespielt haben, soll sich vor dem Club ein ganzer Haufen Christen versammelt haben, um gegen Satanismus zu protestieren. Das ist schon eine lustige Sache ... Christen. Das zeigt nur wieder die lächerliche Ignoranz von extrem religiösen Menschen gegenüber härteren Musikgenres.

Ich mag das Artwork von „Be Damned!“ Um das Motiv für Jüngere zu erklären: Mit VHS-Kassetten konnte man Filme anschauen, bevor es Streaming gab. Und: „Be kind, rewind!“
Mike: Das freut mich zu hören! Ich habe ziemlich viele Stunden mit dem Artwork zugebracht. Ich war nie 100% zufrieden. Aber jetzt bin ich ziemlich happy mit dem Ergebnis. Ich mache neben der Musik und meinem Job im Kindergarten auch viel Grafikdesign. Ich habe ein absolutes Faible für diesen ganzen Retro-Horror-Look, für so Retro-Zeug allgemein. Das erkennt man auch schon am Cover von „Get Loud!“ und an unserem Merch. Das VHS-Video/Horror/TV-Thema zieht sich durch alle unsere aktuellen Poster, Promo-Bilder und ... verdammt, durch alles. Ich liebe diesen Stil einfach! Wir haben tausende Merch-Ideen herumliegen und zu wenig Geld, um Merch zu produzieren. Aber bald werden sie zum Leben erwachen, haha.
Steinar: Wir können uns noch an weniger komplizierte Zeiten erinnern, als man einfach in eine Videothek gehen und sich drei Filme auf einmal ausleihen konnte. Anstatt durch unzählige Streaming-Dienste zu scrollen, stundenlang nach dem richtigen Film zu suchen und auf halben Wege einzuschlafen. Wie praktisch!

Wo kommt ihr musikalisch her?
Steinar: In meinen jungen Jahren war Skatepunk für mich das Größte, Bands von Fat Wreck Chord und Epitaph wie NOFX, PROPAGANDHI, GOOD RIDDANCE und GREEN DAY. Dann kamen REFUSED und die Dinge begannen sich in Richtung härterer Musik zu verschieben. Wir sind alle musikalisch ganz unterschiedlich sozialisiert. Jan Eirik und Mikael zum Beispiel waren schon immer große Fans der extremeren Metal-Genres. Andreas, Jan Eirik, Mikael und ich haben früher alle in Extreme-Metal-Bands gespielt. Und Mike hatte verschiedene Punk/Hardcore-Bands. Ich denke, DANGERFACE klingen wahrscheinlich wie eine Kombination aus all dem.
Mike: Namedroping? Sehr gern. Die norwegische Musikszene hat im Moment eine Menge großartiger Acts wie zum Beispiel PAPPASAFT, die auf Norwegisch singen und sich selbst mit Happy-Core beschreiben, was es ziemlich genau trifft. Wenn du wissen willst, was der Bandname bedeutet, geh zu Google Translate, es lohnt sich. SPIELBERGS sind tolle Jungs, die tolle Musik machen, ASTROBABES sind gute Freunde aus der Osloer Punk-Szene, EXPLODING HEAD SYNDROME machen auch sehr guten Hardcore und THE DOGS spielen eine Mischung aus Punk und Rock’n’Roll. Weitere empfehlenswerte Hardcore/Punk-Bands sind RISE ABOVE , KORRUPT und auch MURDER MAIDS. Ich muss noch die Hardcore-Band ONDT BLOD erwähnen, die ebenfalls auf Norwegisch singen, aber verdammt eingängig! Das „Finnmark“-Album ist der Wahnsinn. Außerdem wären da THE GOOD THE BAD AND THE ZUGLY, die natürlich auch tolle Leute sind.

Ihr habt euer Album in Stavanger bei Bridge Burner mit Ørjan Kristoffersen Lund aufgenommen – warum nicht in einem berühmten Studio weit weg von zu Hause?
Steinar: Gute Frage! Aus Zeit- und Kostengründen. Wir haben uns für Bridge Burner entschieden, weil wir familiäre und berufliche Verpflichtungen haben, da ist es einfacher, vor Ort aufzunehmen. Außerdem versteht Ørjan unsere Art von Musik, da er aus der gleichen Szene kommt. Er spielt bei NAG und war früher Gitarrist der Shoegaze-Band AVAST.

Und warum Brad Boatright von Audiosiege für das Mastering? Er scheint der Goldstandard bei einer bestimmten Art von harter Musik zu sein.
Mike: Ganz einfach: Er hat in seinem Job noch nie versagt. Außerdem hat er schon viele Platten gemastert, die wir mögen, und wir sind super zufrieden mit dem Ergebnis. Es klingt einfach bad ass. Er ist super effektiv und immer zuverlässig. Audiosiege können wir wärmstens empfehlen!

Erläutert mir doch bitte noch einige eurer Songtitel und Texte? Zum Beispiel „It takes guts to be an organ donor“, „The Lord hates a quitter“ und „Pardon my douche“ ...
Mike: Haha, ja. Wortspiele und flache Witze ... und zwar jede Menge. „It takes guts ...“ entstand, als ich und Jan Eirik eines Nachmittags Flachwitze googleten. Denn Steinar hasste den ursprünglichen Titel des Liedes. Der lautete „The rising sons“, aber das erinnerte ihn zu sehr an „Sons of Anarchy“, also haben Jan Eirik und ich in Ermangelung eines Songtitels irgendwelche Witze gegooglet. Und tadaa! Google ist dein Freund! „The Lord hates a quitter“ ist der Eröffnungstrack und im Grunde handelt der Song von zwei Ministranten, die es satt haben, im Namen des Herrn auf mehr als eine Weise benutzt zu werden. Also begeben sie sich auf eine Reise ins totale Chaos. Party, Drogen, Alkohol und Kirchenbrandstiftung – und sogar Priesterverbrennung. Das sind gute Zeiten, das ist lustig. „Pardon my douche!“ – einer meiner Lieblingssongs – dreht sich um den Hauptgrund, warum wir alle bei DANGERFACE spielen, und der ist Spaß zu haben. Und am meisten Spaß haben wir, wenn wir auf Tour sind. Da gibt es auch immer jede Menge Frotzeleien untereinander. Unter Freunden lässt sich das aber leicht verzeihen. Der Songtitel hat nichts mit dem Text im Allgemeinen zu tun – er ist einfach ein toller Titel. Außerdem macht es Spaß, ihn auszusprechen, besonders mit einem französischen Akzent: „Pardon me douche!“ Oder sogar auf Italienisch: „Scuzi mi douchy!“ Wir sollten es mal auf Deutsch versuchen ... oder besser nicht. Das klingt vielleicht eher wie eine Beleidigung als eine Entschuldigung.