DANGER!MAN

Foto© by Gregor Jekat

Oslo Pønkråkk

Wenn man sich bereits seit längerer Zeit in der internationalen Musikszene bewegt, trifft man öfter mal auf Bands und Menschen, deren Musik und Lebenseinstellung einem gefallen. Und wenn man sich über Jahrzehnte hinweg immer wieder trifft, können durchaus auch lebenslange Freundschaften entstehen. Und das „Network of Friends“ entwickelt sich dadurch zwangsläufig gleich mit. Die Mitglieder von DANGER!MAN aus Oslo spielten zuvor in Bands wie SO MUCH HATE, LIFE ... BUT HOW TO LIVE IT?, BANNLYST oder DRUNK. Seit 2009 bereiten sie uns auf ihren regelmäßigen Touren als DANGER!MAN weiterhin viel Freude. Gitarrist Roger Andreassen stand mir Rede und Antwort.

Roger, wie läuft das Leben jetzt gerade in Oslo? Geht es dir und deiner Familie gut?

Nun, jeder Tag ist wie der andere in diesen Pandemie-Zeiten. Es ist ein bisschen wie beim „Murmeltiertag“ ... aber wir sind alle gesund und munter. Das kann man heutzutage nicht als selbstverständlich hinnehmen. Oslo ist in den letzten Wochen wie die meisten europäischen Städte runtergefahren worden. Sehr hart für alle Menschen, die dadurch ihren Arbeitsplatz verlieren. Auch sehr schwer für kleine Bars und Unternehmen, die jetzt nicht dokumentieren können, dass sie seit Jahren profitabel sind. Sie werden von den Geiern unter den Vermietern bei lebendigem Leib aufgefressen. Diese Blutsauger sind die Einzigen, die durch diese Krise viel Geld verdienen.

Wie geht es den anderen Jungs von DANGER!MAN?
Auch dem Rest der Band geht es gut. Wir waren nicht wirklich aktiv, seit das Corona-Chaos begann. Wir sind in eine leichte kollektive Depression gefallen, da wir viele Auftritte absagen mussten ... Und da wir jetzt in drei verschiedenen Städten leben, konnten wir nicht mehr wirklich üben, seit die Reisebeschränkungen zwischen den Städten über uns hereingebrochen sind. Aber andererseits ... wir müssen uns glücklich schätzen, solange wir alle gesund sind! Aber wir wollen mit der Arbeit an neuem Material beginnen. Wir können diese Zeit genauso gut damit verbringen, kreativ zu sein, denn es sieht so aus, als ob wir noch eine Weile nicht live spielen können ...

Im April hättet ihr eine Tour in England spielen sollen, die abgesagt werden musste. Wo hättet ihr spielen sollen? Und welchen Eindruck hast du, was die Krise allgemein mit der Underground-Musikszene macht?
Ja, wir hatten uns sehr auf diese Tournee gefreut. Wir haben in den letzten Jahren einige lange Wochenenden in England verbracht und wir hatten dort eine Menge Spaß. Im April hätten wir fünf Konzerte zusammen mit einer anderen Band aus Oslo namens DØMT spielen sollen. Wir sollten in Leicester, Bristol, Liverpool, Birmingham und Manchester auftreten. Die ganze Tournee musste leider verschoben werden. Aber wir sind nicht im „Aufgeben-Business“, also ... nächstes Jahr werden wir es auf jeden Fall noch einmal versuchen! Ich bin nur wirklich froh, dass es uns gelungen ist, ein Wochenende in London und Southampton zusammen mit unseren Schwestern LUCKY MALICE zu verbringen, bevor diese Krise einsetzte. Ich bin wirklich froh, dass wir die Gelegenheit hatten, die Mädchen einigen unserer britischen Freunde vorzustellen. Sie sind wirklich gut angekommen, also wird dies definitiv nicht ihr letzte Ausflug dorthin bleiben. Ich schätze, es gibt eine ganze Reihe von Veranstaltungsorten und Bars, die es aufgrund der Krise und der Einschränkungen sehr schwer haben werden. Ich denke jedoch, dass die Musikszene als Ganzes überleben wird ... da wir alle im selben Boot sitzen. Und wenn es möglich ist, werden wir alle Benefiz-Gigs für unsere Lieblingsläden spielen, um ihnen zu helfen zu überleben. Die Punk-Szene hat ja auch bis jetzt überlebt. Wir sind wie Kakerlaken. Nach der Bombe kommen wir wieder aus unseren Löchern gekrochen!

Zurück zur Musik. Ihr alle habt vorher in verschiedenen anderen Bands gespielt. Gibt es eine bestimmte Art von Sound, den du mit DANGER!MAN kreieren wolltest, oder ist es eher ein Best-Of von allem, was du vorher gemacht hast?
Drei von vier Mitgliedern von DANGER!MAN spielten ab Mitte der Neunziger für zehn Jahre in einer Osloer Band namens DRUNK. Als DRUNK sich auflösten, beschlossen Tom und ich, dass wir weiter zusammen Musik machen wollten, und begannen das, was später DANGER!MAN werden sollte. Wir hatten mehrere verschiedene Schlagzeuger und Sänger auf dem Weg, aber als Finn Erik, der ebenfalls bei DRUNK gespielt hatte, und Stefan beschlossen, sich uns anzuschließen, wussten wir, dass die Chemie stimmte und wir hatten tatsächlich wieder eine Band zusammen. Es muss sowohl sozial als auch musikalisch passen, und wenn es passt, dann weiß man das einfach! Wir ziehen alle an einem Strang, und wir machen uns gegenseitig besser. Wir denken, dass wir es geschafft haben, mit dieser Band einen eigenen Sound zu finden. Ein paar Schritte zurück in Richtung Punkrock schätze ich, oder hoffe ich zumindest. Die Musik, die wir zuvor mit unseren Bands gemacht haben, hing immer sehr davon ab, wer noch dabei war und was sie jeweils mitbrachten. Das Gleiche ist bei DANGER!MAN der Fall. Für uns geht es darum, Musik zu schreiben, in der sich alle Mitglieder identifizieren können. Wenn alle das Gefühl haben, gleichberechtigt am Ergebnis beteiligt zu sein, dann wird es magisch.

Ihr wart in den letzten elf Jahren sehr oft auf Tour, auch in Deutschland. Gibt es besondere Orte, wo ihr gerne spielt? Mir scheint, dass ihr mit gewissen Clubs etwa in Karlsruhe, Hamburg oder Berlin besonders eng verbunden seid. Kommt es daher, dass ihr bestimmte Leute so gut leiden könnt, oder ist es „nur“ eure Leidenschaft für deutsches Bier?
Da wir seit Jahrzehnten mit den verschiedensten Bands in Deutschland unterwegs waren, haben wir dort über die Jahre viele gute Freunde gefunden. Es ist nichts gegen deutsches Bier einzuwenden, aber wir lieben es einfach, die Möglichkeit zu haben, immer wieder mal vorbeizukommen, unsere Musik zu spielen und alte Freunde zu besuchen ... und auch neue Freunde zu finden. Wir leben nicht bloß in der Vergangenheit. Die Gegenwart ist viel wichtiger.

Eure Veröffentlichungen sind fast alle auf dem englischen Label Boss Tuneage erschienen. Wie seid ihr mit Aston in Kontakt gekommen?
Wir haben Aston von Boss Tuneage zum ersten Mal in den frühen Neunziger Jahren getroffen. Er half uns damals bei der Herstellung und dem Vertrieb von einigen der LIFE ... BUT HOW TO LIVE IT?-Alben. Es schien eine gute Idee zu sein, wieder mit ihm zusammenzuarbeiten, als er uns wegen einer Neuauflage aller LBHTLI?-Platten kontaktierte. Er hatte bereits eine Co-Veröffentlichung der ersten DANGER!MAN-LP für uns gemacht, mit der wir sehr glücklich waren. Wir wollten sowieso für unsere Veröffentlichungen einen Vertrieb im Vereinigten Königreich haben. Wir hatten auch überlegt, ob wir das DIY-mäßig machen können, aber wegen der Portokosten in Norwegen kommt ein Vertrieb von hier aus einfach nicht infrage.

Euer Album „Weapons Of Mass-Distraction“ von 2019 zu hören ist für mich eine wahre Wonne. Offenbar werden DANGER!MAN mit dem Alter immer besser. Wie siehst du eure aktuelle Platte?
Schön, dass sie dir gefällt. Wir sind recht zufrieden damit und freuen uns ehrlich gesagt sehr, dass diese Platte so gut geworden ist. Vor diesem Album hatten wir eine Auszeit von der Band von fast einem Jahr. Unser Schlagzeuger hatte sich am Arm verletzt, und lange Zeit war völlige Ruhe die einzige Möglichkeit für ihn, sich zu kurieren. Während dessen hatten wir viel Zeit, neues Material zu schreiben und mit unserem Sound zu experimentieren. Bei diesem Album haben wir uns für einen viel saubereren Sound entschieden, der aber immer noch sehr intensiv ist und „in your face“. Wir hatten auch Hilfe von Daniel Husayn von den RED DONS beim Mastering. Einige Leute lieben die Platte und andere hassen sie.

Auf eurer aktuellen Platte ist bei mehreren Stücken außergewöhnlich guter weiblicher Gesang zu hören. Wer hat euch hier unterstützt?
Der zusätzliche Gesang wurde von Hanna, Linda und Karine von den großartigen LUCKY MALICE übernommen. Nach mehreren gemeinsamen Tourneen sind sie für uns zu so was wie Schwestern geworden. Es fühlt sich gut an, eine Familie zu haben! Wir mussten sie nicht lange bitten, uns beim Background-Gesang zu helfen. Wir sind super glücklich mit dem, was daraus geworden ist. Die Mädchen verleihen unserem Sound eine zusätzliche Dimension. Wir haben sogar schon ein paar Auftritte als siebenköpfige Band mit dem gesamten Background-Gesang absolviert. Das hat super viel Spaß gemacht!

Es scheint, dass besonders Engländer eine Vorliebe für DANGER!MAN haben. Habt ihr vor eurer jetzt im April abgesagten UK-Tour dort schon mal gespielt?
Wir haben ziemlich viele lange Wochenenden im Vereinigten Königreich verbracht. Zuerst wurden wir gebeten, auf einer Geburtstagsfeier zu spielen ... und zu unserer Überraschung schienen die Leute dort Gefallen an unserer Musik zu finden. Wir hatten sogar das Glück, auf mehreren kleinen Festivals spielen zu dürfen. Unsere Ausflüge nach UK haben sich sehr ähnlich angefühlt wie unsere Touren in Europa in den Achtziger und Neunziger Jahren. Jedes Mal schließen wir Freundschaften mit neuen netten Leuten, die uns schließlich wieder einladen. Wir haben dort auch mit vielen wirklich guten Bands gespielt. Großbritannien hat heutzutage eine wirklich gute, sehr lebendige Punk-Szene.

Du hast mir auch mehrmals begeistert von euren Erlebnissen mit den Leuten von WONK UNIT erzählt. Was ist so besonders an denen? Gibt es noch andere Bands, die du empfehlen würdest?
Wir hatten einen Gig zusammen mit WONK UNIT bei unserem ersten Wochenendtrip nach Großbritannien ... und wir waren einfach hin und weg. Die Atmosphäre in diesem Pub bei ihrem Auftritt war einfach etwas andere. Jeder in diesem Raum fühlte sich wie ein Teil einer Familie. Nicht allzu viele Bands schaffen das. Und sie waren so nette Leute! Sie luden uns sogar ein, sechs Monate später auf dem Wonkfest in London zu spielen. Auch das war ein totaler Knaller! Wir hatten WONK UNIT dann auch in Oslo zu Gast, um ein paar Kneipenauftritte zu absolvieren. Auf unseren UK-Reisen hatten wir oft das Glück, zusammen mit wirklich guten Bands zu spielen. Viele der Auftritte waren ganztägig, da waren gab acht bis zehn Bands. Einige Namen, die hier erwähnt werden müssen, sind ROUGHNECK RIOT, SPOILERS, CONSUMED, PIZZATRAMP, NATTERERS, SKURVI, VANILLA POD, DRONGOS FOR EUROPE ...

Ihr kommt aus der norwegischen Hauptstadt Oslo. Wie würdest du den aktuellen Stand der dortigen Punkrock-Szene beschreiben? Gibt es besondere Orte, die du Leuten empfehlen würdest, die vielleicht Interesse an einem Besuch haben? Gibt es Tipps für Konzerte oder Plattenläden?
Bevor die Corona-Sache passierte, war die Punk-Szene in Oslo wirklich gut. Sie war sehr vielfältig, mit vielen guten Bands in fast allen Genres und auch vielen netten kleinen Lokalen und Bars. Wirklich lebendig! Ich hoffe wirklich, dass die ganzen guten Veranstaltungsorte den Lockdown überleben werden. Ich bin mir jedenfalls sicher, dass die Bands noch da sein werden. Gute Punk-Veranstaltungsorte und -Bars sind Blitz, Barrikaden, Club 37, Aye Aye Club, Enga Pub oder Vaterland – ja, ich weiß, das klingt ein bisschen sehr deutsch, aber es ist auch der Name der Gegend in Oslo. Dann gibt es noch Hærverk, Revolver, Krøsset und Last Train – ich glaube zwar nicht, dass sie dort noch allzu viele Punk-Gigs veranstalten, aber der Laden ist super legendär, und immer noch da.

Was sieht es mit Punkbands aus Norwegen aus? Es gab bei euch immer schon tolle Bands, aber von den im Grunde sehr guten neuen Bands hört man kaum etwas. Würde es dir etwas ausmachen, uns ein paar vorzustellen? ASR oder KNUSTE RUTER zum Beispiel?
ASR und KNUSTE RUTER sind großartig! Andere Osloer Bands, die ich besonders erwähnen möchte, sind PURPLE-X und GUFF. Auch DØMT sind eine verdammt gute Truppe. Es macht immer Spaß, sie zu sehen. BØYEN BENG gibt es auch noch. LUCKY MALICE kommen aus Halden, ein paar Stunden südöstlich von Oslo. Super nette Leute und ein super eingängiger, ausgezeichneter Sound. Sie haben gerade ihre neue LP aufgenommen. Ich habe bereits einige Rohmixe gehört und dieses Mal haben sie es echt geschafft. Jemand sollte ihnen wirklich beim Promoten dieses Albums in Europa helfen.

Ihr probt in einem ziemlich coolen Gebäudekomplex in Grünerløkka. Kannst du uns einige Informationen über diese Location und auch über den Teil der Stadt geben, in dem es sich befindet?
Der Ort, den du meinst, heißt Grunerløkka Lufthavn und es war etwa zwanzig Jahre lang ein alternatives Zentrum. Sowohl DANGER!MAN als auch unsere vorherige Band DRUNK hatten dort einen großen Übungsraum. Das Gebäude wird jetzt saniert, aber die Betreiber haben noch einen Vertrag dafür, so dass sie hoffentlich wieder einziehen können, wenn die Sanierung abgeschlossen ist. Vorerst hat Grunerløkka Lufthavn einen Teil seiner Aktivitäten in einen Ausweichstandort verlegt. Die Möglichkeiten, an dem neuen Ort laute Musik zu machen, waren jedoch gering bis gar nicht vorhanden, deshalb proben DANGER!MAN jetzt im Aufnahmeraum des Endless Tinnitus Studios. Es ist dasselbe, in dem wir kürzlich die „Weapons Of Mass-Distraction“-Platte eingespielt haben. Wir lieben es! Hoffentlich können wir dort dieses Jahr noch mehr Sachen aufnehmen.

Wie sehen eure Pläne für die Zukunft aus, wenn wir jetzt mal so tun, als ob es keine Einschränkungen durch das Corona-Virus gäbe?
Nun, es ist im Moment irgendwie schwer, sich eine Welt ohne Corona vorzustellen. Wir hatten so viele Pläne für dieses Jahr. Wir mussten über dreißig Auftritte in Norwegen und im Ausland absagen. Wir waren sogar gebucht, um dieses Jahr zum ersten Mal auf dem Rebellion Festival in Blackpool zu spielen, was ebenfalls aus den bekannten Gründen abgesagt wurde. Ich hoffe allerdings, dass sie uns nächstes Jahr wieder einladen werden. Drückt uns die Daumen! Ich hoffe, dass das Network of Friends Festival im September 2021 nachgeholt wird. Die Dinge können sich ja im Laufe des Sommers ändern ... aber wir nehmen nichts als selbstverständlich hin. Wir haben aufgehört, neue Auftritte zu buchen, bis die Situation insgesamt besser aussieht. Es fühlt sich nie gut an, etwas absagen zu müssen, auch wenn man nichts dafür kann. Immerhin haben wir wieder angefangen zu proben. Ich denke, es ist an der Zeit, dass wir beginnen, neues Material zu schreiben. Und wer weiß, was als Nächstes kommt? Eine LP, eine Split-LP oder eine 7“ ... Ich kann nur versprechen, das wir weiterhin unser Bestes versuchen, gute Musik zu schreiben und sie zu veröffentlichen. Und wenn sich das Corona-Chaos endlich beruhigt hat, auch wieder herumzureisen, um unsere Musik überall zu spielen, wo wir erwünscht sind, um Spaß zu haben und gute Freunde zu treffen.