EMMURE

Foto© by Vincent Grundke

Gefühle

Anfang 2020 hat ein Statement des EMMURE-Frontmanns Frankie Palmeri für Verwunderung gesorgt. Der Sänger dementierte auf Twitter die Lyrics seiner bisherigen Alben. Diese Tweets stießen auf unerwarteten Reaktionen von Seiten der Fans, die mit der Musik der Band zum Teil schwierige Phasen ihres Lebens durchgestanden haben. Frankie erzählt uns, was es mit seiner Aussage wirklich auf sich hat und inwiefern EMMURE niemals eine Band von gestern sein können.

Ein neues „Ich“

Vier Monate danach ist Frankie noch immer überrascht, dass die Leute sich so sehr an diesen Aussagen festklammern. Hinter diesen Tweets stand für ihn auch eine Kritik am musikalischen Genre, in dem EMMURE sich bewegen, wie er ausführt. „Ich selbst räsoniere wirklich nicht mit vielem, was ich in dieser Musik schreibe.“ Dennoch sind die Texte bei EMMURE für Frankie der Versuch, seine persönliche Geschichte so authentisch wie möglich zu erzählen. Er ist jedoch nicht mehr der gleiche Mensch, der er vor zehn Jahren war. Die Absicht hinter diesem Statement war also nicht, die Lyrics zu verwerfen, sondern es ist viel mehr ein Ausdruck davon, inwiefern der Musiker in den letzten Jahren gewachsen ist und seine Traumata überwunden hat.

Auch für „Hindsight“ gilt Frankies Erklärung, wie er ausführt: „Ich bin nicht derselbe, der ich vor einem Jahr war, oder der, der ich gestern war. Wer ist das schon? Am Ende des Tages bin ich ein Entertainer, der versucht, sich selbst auszudrücken und seine Wahrheiten in die Musik zu packen. So können die Fans ihre eigene Verbindung zu den Inhalten der Songs aufbauen und das alles erleben.“

Doch wie fühlt es sich an, sich von bestimmten Texten abzuwenden, dann aber von seinen Fans zu hören, wie sehr sie durch sie inspiriert wurden oder ihnen in manchen Lebenslagen sogar geholfen haben? „Das ist schmeichelhaft und überwältigend, denn Schmerz ist universell. Wenn unsere Musik als eine Art Ausweg oder Schutzschild dient und in ausweglosen Situationen des Lebens hilft, bin ich froh, dass ich jemandem so etwas zu bieten vermochte.“

Eine klare Meinung und Stimme zu behaupten ist 2020 wichtiger als je zuvor. Frankie sieht es als Pflicht eines jeden Einzelnen, das weltweite Leid zu reduzieren. „Wir werden von vielem davon abgelenkt, was es wirklich bedeutet, glücklich zu sein. Wir verlieren uns selbst im Sinne einer Gesellschaft in unseren trivialen, selbstsüchtigen Absichten. Wir zerfallen alle irgendwann wieder zu Asche und Staub, daher sollten wir unsere Zeit sinnvoll nutzen und den Menschen Freude bringen.“

Hass/Liebe
Die Aussagen hatten jedoch auch Kritik zur Folge, ein Aspekt, der Frankie in seiner Karriere konstant begleitet. Doch interpretiert er nicht allzu viel in diese Kritik hinein. „Ich wäre eher beunruhigt, wenn es gar keine Kritik gäbe.“ Dahinter steht auch die Erkenntnis, dass es für ihn besser ist, gehasst zu werden als ignoriert. Dass EMMURE auf Listen wie „die meist gehassten Bands“ auftauchen, verunsichert den Musiker, der nach eigenen Aussagen „lange genug in der Industrie ist“, also nicht, wie Frankie reflektiert: „Ich habe sogar Leute getroffen, die mich kontaktiert haben und mir offenbarten, dass sie EMMURE wirklich lautstark gehasst haben, aber dann zu wirklich treuen Fans wurden. Liebe und Hass liegen sehr nah beisammen. Eine Person, die dich hasst, kann dich am nächsten Tag lieben und umgekehrt.“

Die Musik von EMMURE ist kontrovers, doch geht es der Band auch nicht darum, jedem zu gefallen. „Wenn jeder deine Kunst mag, dann kreierst du keine Kunst. Für mich ist es das, was uns von anderen Bands separiert. Wir könnten natürlich eine Platte machen, die so ist wie unsere bisherigen.“ Des Weiteren sieht Frankie es als Segen an, dass derart viele Leute so gespalten in ihrer Meinung zu EMMURE sind. „Du kannst nicht gehasst werden, ohne vorher geliebt worden zu sein.“

Nu-Metal & Intensität
Im Sound von „Hindsight“ lässt sich der Nu-Metal-Einfluss nicht überhören. Mit dem Song „Thunder mouth“ liefert Frankie eine Hommage an Jonathan Davis, der für ihn schon immer eine große Inspiration war. „Es wäre großartig, wenn die Leute bei diesem Part direkt an KORN denken. Ich glaube, wir sind genau die richtige Band, die so etwas in ihren Sound einbauen kann, und hoffe, die Leute werden es mögen!“. Doch warum gibt es gerade so einen verdammt großen Nu-Metal Hype und wieso klingt „Hindsight“ so stark danach?
„Alles ist zyklisch in seiner kulturellen Akzeptanz. Zur Zeit denke ich oft an meine Jugend und an die Nu-Metal-Bands aus dieser Ära, mit denen ich aufgewachsen bin.“, resümiert Frankie, der sich selbst als ganz normalen Musikfan bezeichnet. „Ich habe mich nie geschämt, zu den Bands zu stehen, die ich mochte, und das selektive Stigma von Subkulturen nie verstanden, nur weil etwas nicht mehr en vogue war. Ich fokussiere mich nicht auf das Genre. Wenn Leute sagen, es ist Nu-Metal, dann ist das okay für mich. Diesen Einfluss gibt es aber eigentlich schon immer und auf jedem Album von uns.“ Neben dem unverkennbaren Nu-Metal Einfluss sind es insbesondere Bands wie ILL NIÑO, MESHUGGAH und CHIMAIRA, die das Songwriting von „Hindsight“ besonders geprägt haben.

Für EMMURE spielt die Länge eines Songs keine Rolle, was sich in der Kürze und Prägnanz von „Hindsight“ widerspiegelt. Beim Songwriting geht es der Band einzig und allein darum, eine Emotion und deren Absicht zu vermitteln. „Ich will einfach nur einen Song, der dich hart trifft und dir keine Zeit lässt, darüber nachzudenken, was als Nächstes kommt“, fügt Frankie hinzu.

Die Musik von EMMURE lebt darüber hinaus klar durch die Live-Shows, die immer energetisch, intensiv und wild sind. Dass die Band ihr neues Album vorerst nicht auf der Bühne ausleben kann, ist etwas, das sie belastet, aber jede Band auf der Welt ebenso betrifft. „Wir warten geduldig darauf, dass die Umstände sich ändern. Das passiert lieber früher als später.“ Doch Sorgen, „Hindsight“ könnte nicht genug Promotion erfahren, sind da keine. „Das Internet ist noch immer ein freier Markt und wir nutzen unsere Plattformen so gut wie möglich, um unsere Message zu verbreiten.“