EMÉRITOS

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Auflehnung und Rebellion als ständige Begleiter

EMÉRITOS aus Teneriffa, der eher für Sonne, Strand und den Teide-Vulkan bekannten Insel im Atlantik, sind die neue kanarische Punk-Supergroup! Bestehend aus dem unzertrennlichen Duo Pistol(dr)/Silver (voc) und Pisti (bs) und Poti (gt). Pistol und Silver sind beide Punk-Ikonen auf den Inseln mit ihrer legendären Formation FAMILIA REAL, die 1980 entstand. Ihre Single „Destruye“ (1982) ist heute ein begehrtes Sammlerstück. Später gründeten sie ATAÚD VACANTE und blieben mit verschiedenen weiteren Projekten bis heute aktiv. Pisti und Poti stammen sozusagen aus der zweiten Punk-Generation und begannen in den Neunzigern mit LOS JARTOS, es folgten etliche weitere Bands – SPEEDMATICS, MACARRACA, CIRCO MATADERO im Fall von Pisti und GRAN BANDA MANDINGA, SR AGENTE, II MADRES bei Poti. Ich sprach mit dem Quartett über die neue Single „Vivo Debajo de un Volcán“ sowie ihren Auftritt beim Canarias Calling Festival am 4. August im SO36 in Berlin-Kreuzberg.

Wie hat sich die Band zusammengefunden? Silver, du hast ja mit Pistol bereits in zahlreichen Bands gespielt, wie den unvergessenen FAMILIA REA.

Silver: EMÉRITOS entstanden aus Versehen. Ich wollte nach der Auflösung von 13 MOTOS erst mal eine kreative Pause machen, bis ich einen Anruf von Jotti bekam, dass seine Kumpels einen Sänger und einen Drummer für eine neue Band suchten. Es war das erste Mal, dass nicht ich es war, der die Band gründete. Ich fragte Pistol, ob er auch Lust hätte, als Drummer dabei zu sein, wir trafen uns – und es passte. Das ist alles noch ganz frisch, das war erst im Oktober 2022.

Musikalisch spielt ihr mit frischer Energie einen klassischen Streetpunk ...
Silver: Ja, uns ist wichtig, dass jeder Song eine gute Melodie hat, dabei spielen Gitarre und Bass nicht gleich, die Gitarre ist im Vordergrund und der Bass kommt dazu, keine schrägen Sachen, einfach nach vorne, ohne spezielle Extras, wichtig ist uns auch der Chorus im Refrain. Wir haben nicht den Anspruch, etwas Neues zu erfinden und sind unserer Linie treu geblieben. Und Musik muss ja auch gar nicht neu sein, solange sie gut rüberkommt.

Das ist euch zweifellos gelungen, euer Singletrack „Vivo debajo de un volcán“ ist ein echter Singalong-Punk-Hit.
Silver: Die ersten 100 Exemplare sind übrigens falsch bedruckt worden. Die Single ist ja eine klassische 45er mit zwei Songs, es steht aber 33 rpm drauf. Die neue Auflage hat jetzt den richtigen Aufdruck ... Vielleicht wird das ja zum Sammlerstück, haha.

Der Song „Somos herejes“, also „Wir sind Ketzer“, ist für mich typisch für spanischen Punkrock, da es auch eine Anspielung auf die Kirche gibt, ohne sie direkt zu erwähnen.
Silver: Ja, da hast du recht, den Text hat aber Pistol geschrieben.
Pistol: Wir sind Ketzer, weil wir in der Evolution vergessen wurden, aber nicht aufgeben ... selbst wenn wir dafür sterben.

In dem Text des Songs „Diferente“, „Anders“, geht es um Aufstand und Familie: „Ich will nicht / Wer würde das sagen / Was wolltest du beenden? / In schlechter / Gesellschaft / Die Stadt bereisen / Was habe ich dir gesagt? / Deine Mutter, dein Vater / Sie werden ein Beispiel sein / Für den Familienclan“.
Pistol: Auflehnung, Rebellion sind ständige Begleiter des Lebens, es la vida! Das bleibt, nicht nur in der Jugend.
Silver: Es geht vor allem um Freiheit! Ohne dabei andere zu stören ...

Aktuell rebelliert die junge Generation wohl eher im HipHop oder zum Teil auch Reggaeton. Wie seht ihr das? Du Silver, hast ja selber eine Tochter ....
Pistol: Inzwischen mache ich die Fans von Rock und Punk seltener in den ökonomisch weniger privilegierten Teilen der Gesellschaft aus, sondern eher in der oberen Mittelschicht. Klar, es gibt viele Stilrichtungen und heute ist es wohl eher HipHop, wenn man ein Ventil für Protest braucht.
Silver: Meine Tochter mag Rockmusik, sie hört gerne 21 PILOTS. Aber wo bleiben die gerade? Es gibt ja wenig neue Rockbands ...

Heute hören die Kids sogar wieder Uralt-Bands wie DEEP PURPLE oder LED ZEPPELIN. Obwohl, die ersten Punks holten sich ihre Inspiration auch bei alten Rock’n’Rollern ...
Silver: Heute ist ja alles einfacher geworden durch Social-Media-Kanäle wie YouTube, TikTok, Instagram.

Wie seht ihr eigentlich die Tatsache, dass die Kanaren stark vom Tourismus geprägt sind, wenn auch nicht so krass wie die Balearen? Meist gibt es ja verschiedene Seiten.
Pistol: Ich wohne im Süden der Insel Teneriffa, der stark vom Tourismus geprägt ist, aber das Problem sind nicht die Gäste – die sorgen eigentlich eher für kulturellen Austausch, wenn auch nicht alle –, sondern eher die großen Tourismuskonzerne. Eigentlich sind sogar die meisten meiner Freunde weder Canarios noch vom spanischen Festland.
Silver: Gerade durch die vielen verschiedenen Leute aus allen möglichen Ländern eröffnen sich ja Möglichkeiten für uns. Wie zum Beispiel durch die Kathi, die uns zusammen mit Jotti, den ich noch von dem Label Los ’80 Pasan Factura kenne, die wunderbare Gelegenheit verschafft hat, im August auf dem Festival in Berlin aufzutreten. Diese Art von Austausch gibt es eben immer wieder und das ist doch toll.

Ich sehe das ähnlich, bei allen Schattenseiten des Massentourismus ergibt sich dadurch auch die realistische Möglichkeit, Events auf den Inseln zu veranstalten.
Pistol: Sonst wäre bei 4.500 km Entfernung logistisch kaum etwas möglich. Eine Insel ist nun mal von Natur aus limitiert. Früher sind noch viel mehr Leute von hier ausgewandert. Heute ist ja eher die Überbevölkerung auf den größeren Inseln ein Problem, da viele Ex-Bewohner aus Lateinamerika, aber auch Leute vom Festland oder Online-Jobber und Filmcrews jetzt hierher ziehen. Es gibt traditionell bedingt eine starke Südamerika-Connection und sämtliche Salsa-, Cumbia-, Merengue- und Reggaeton-Stars spielen meist zuerst hier, ehe sie, wenn überhaupt mal, nach Europa kommen. Klar sind Punk- und Rockmusik hier eher ein Nischenthema, immerhin gibt es aber doch Läden wie das Lonestar in Santa Cruz mit wöchentlichen Live-Shows und neuen Bands, auch von weiter her. Oder auch das Equipo Para oder das größere Aguerre in La Laguna, Salvaje in Médano, Rincon de Tintín in La Laguna, Hombre Balla, Buho und einige mehr. Dazu Festivals wie das Ph’e oder das mehrwöchige internationale Keroxeen Fest im riesigen ehemaligen Gastank El Tanque.
Silver: Es ist eben nicht so einfach auf den Inseln, dafür gibt es aber eine gute lokale Szene, man hilft sich. Wir freuen uns sehr auf das Canarias Calling Festival am 4. August in Berlin, präsentiert von Cine Club Lanzarote & Arrecife en Vivo – mit uns, AKELARRE, SÚAREZ DC und FAKTÓTUM. Im September findet dann das Pendant dazu in Lanzarote statt.