ERECTION

Foto© by Susanne Treml

Wer laut ist, wird gehört

ERECTION aus Regensburg sind mir, obwohl seit 2017 aktiv, erst auf dem aktuellen Soli-Sampler „Help4Nepal Volume 2“ mit ihrem Song „You hate me“ aufgefallen. Auf der Suche nach mehr von ihnen bin ich dann auf ihren YouTube-Kanal gestoßen, wo ERECTION ihre Musik mit wirklich guten Videos präsentieren. Außerdem engagiert sich die Band auch in anderen Bereichen und zeigt klar Haltung. Wir sprachen darüber mit Sängerin Julia. ERECTION sind außerdem Schtifn (gt), Tino (bs) und Alexy (dr).

Ich habe euch auf einem Soli-Sampler für Nepal entdeckt. Wie seid ihr zu diesem Projekt gekommen? Hattet ihr die extreme Lage der Menschen dort auch schon vor dem Sampler auf dem Schirm?

Für den Sampler wurden wir einfach angefragt. Das hat uns sehr gefreut und wir waren natürlich sofort Feuer und Flamme für die Sache. Gute Aktion. Die Lage der Menschen dort hatte ich schon seit meiner Kindheit auf dem Schirm, meine beste Freundin kommt aus Nepal. Ich selbst war zwar noch nicht dort, ich habe es nur bis nach Indien geschafft. Aber durch Erzählungen und Kontakt zu ihrer noch dort lebenden Familie durfte ich einige Eindrücke miterleben.

Bei der Bandauswahl für den Sampler wurde auf Ausgewogenheit zwischen „Female-fronted“- und „Male-fronted“-Bands geachtet. Seht ihr euch selbst als „Female-fronted“-Band? Und wie steht ihr zu den aktuellen Diskussionen über Frauen im Punk?
Wir sind vor allem „human“! Back and fronted! Solche Diskussionen gab, gibt und wird es immer geben. Was zählt, ist die Community, und die ist in unserem Umfeld fantastisch. Arschlöcher und Dummschwätzer werden belehrt oder müssen gehen. Wir stehen steif und fest, natürlich auch mal locker in der Szene und in der Gesellschaft mit und ohne Penis.

Ihr habt euch auch für die Luftbrücke aus Afghanistan engagiert und die Einnahmen von einem Konzert gespendet. Wie ist es dazu gekommen?
Die Luftbrücke war uns ein sehr großes Anliegen. Ich arbeite selbst seit vielen Jahren mit Flüchtlingskindern. Wer einmal hinsieht, kann doch gar nicht anders. Insofern war das für uns selbstverständlich und wir möchten damit auch gar keine Lorbeeren ernten. Solche Aktionen sollten selbstlos und selbstverständlich sein.

Mit „Bottles for wings“ habt ihr einen Song zur Pandemie gemacht. Auf eurer Facebookseite habt ihr dazu aufgerufen, sich impfen zu lassen. Wie erlebt ihr Pandemie, Impfverweigerer und Corona-Leugner:innen?
Die Pandemie haben wir uns so schön wie möglich gemacht. Wir haben eine EP veröffentlicht, auch ein paar Auftritte gespielt und einige Videos gedreht. „Bottles for wings“ war uns da ein großes Anliegen zur Unterstützung der Kunst, Kultur, Gastronomie und so weiter. Damit wollten wir ein klares Zeichen setzten, da mit dem Video ja auch ein Spendenaufruf rausging. Auf Leugner und Gegner können wir gerne verzichten, wir stehen klar zu unserer Aussage. Allerdings heißt das nicht, dass wir irgendjemanden zu etwas zwingen möchten. Lediglich die Rücksicht auf die Gemeinschaft ist uns wichtig und dazu braucht es halt manchmal ein bisschen mehr. We live for each other und so!

Es finden sich auf eurem YouTube-Kanal einige Clips zu euren Songs. Wer unterstützt euch dabei, woher nehmt ihr die Ideen? Wie zum Beispiel beim Video zu „I hate you“, wo ihr doch mit verschiedenen Klischees spielt.
Unsere Videos machen wir alle selbst. Schtifn, unser Guitar Hero, hat eine eigene Videofirma namens Schtifilm. Mit dem Filmen wechseln wir uns ab oder das Stativ macht einen guten Job. Die Ideen entstehen eigentlich immer in unserem Proberaum. Wir sitzen dort einfach rum und quatschen über diverse Themen. Da ist schnell viel Input. Klischees lieben wir. Da kommt doch gleich wieder eine Idee, haha. „You hate me“ ist der absolute Klassiker dafür. Wer kennt es nicht. Punk, Skin, HipHop ... Sobald du einzigartig und auffällig bist, kommen die Hater und jeder meint, er ist was Besseres. Wir finden alles cool, weg mit den Schubladen! Feel free und wie gesagt oder gesungen: „You hate me, I like that“. We have a lot of love fuckers.

Euer aktuelles Video „Stöp“ wirkt auf mich wie eine Mischung aus „Einer flog über das Kuckucksnest“ und „Das Schweigen der Lämmer“. Die Hauptperson gerät in die Mühlen einer Psychiatrie, die durch Zwangsbehandlung, Zwangsmedikation, Elektroschocks und abgefuckte Pfleger gekennzeichnet ist. Stecken dahinter vielleicht auch eigene negative Erfahrungen?
„Stöp“ ist eine ziemlich harte Nummer. Ich bekomme selbst jedes Mal Gänsehaut. Es sind viele eigene Erfahrungen und auch Miterfahrungen. Ich war als Jugendliche im Heim und wurde mal aus einer Fehleinschätzung heraus in die Psychiatrie eingewiesen, was dort passiert ist, kann ich nicht in Worte fassen ... Das ging von Zwangsmedikation über unmenschliche Behandlung! Eigentlich hätte ich alle verklagen sollen. Ich denke, es gibt so viele Menschen, die ähnlich schreckliche Erfahrungen durchmachen mussten und es einfach runterschlucken, aus Angst, von der Gesellschaft nicht anerkannt zu werden oder den Psychostempel aufgedrückt zu bekommen. Lasst euch nicht beirren, Mund auf, Statement setzen. Wer laut ist, wird gehört.

Ich habe euren Song „I hate you“ als eine Mischung aus VICE SQUAD und FUNRERAL DRESS bezeichnet. Wo würdet ihr euch selbst verorten? Oder anders gefragt, wo liegen eure Einflüsse? Und was bedeutet „Pussy-Penis-Power“?
Die Frage mit den Einflüssen ist immer ziemlich schwer zu beantworten, da die Liebe zur Musik aus so vielen verschieden Genres herrührt. Ich denke, die bunt genischte Gesamtheit macht es aus und natürlich eine Portion Hass und Emotionen. „Pussy-Penis-Power“ bedeutet Humane Energie – ohne Grenzen und Wertung, ohne Geschlechterstreit für Gleichberechtigung und eine in Frieden zusammenlebende Community.

Auch wenn es demnächst hoffentlich mit Konzerten weitergehen wird, seid ihr gerade mit den Aufnahmen für eine neue Platte beschäftigt, oder?
Konzerte laufen. Was gerade gekocht wird, werde ich noch nicht verraten. Aber ich kann versprechen, es wird groß, es wird bunt und es wird einzigartig. Weitere Infos bekommt ihr auf unseren Social-Media-Kanälen wie Instagram und Facebook. Love goes out, und nicht vergessen, immer schön fit bleiben in der Birne! Dort spielt sich das meiste ab.