EXPLOSIONS IN THE SKY

Foto© by Nick Simonite

This is not the end, beautiful friend!

Das Vierergespann EXPLOSIONS IN THE SKY gründete sich 1999 in Austin, Texas und spielt Post-Rock, etwas harmloser auch „instrumentale Rockmusik“ genannt. Bemerkenswerterweise gab es während der langen Zeit ihres Bestehens keinen einzigen Line-up-Wechsel. Nach wenigen Jahren und zwei Alben, die heute als Meilensteine des Genres gesehen werden, und ergänzt durch einen Auftritt bei John Peel, ist die Band in alternativen Musikkreisen bekannt und beliebt. Es folgten einige Soundtracks und weiteren Alben, dann ist es eine Weile eher ruhig, bis 2023 eine neue Scheibe namens „End“ erscheint. Doch kein Grund zur Panik, laut Band handelt es sich bei dem Titel um ein Konzept und nicht um eine Auflösungsankündigung. Im Herbst 2023 ist die Band auf Tour. Vor dem Konzert im Berliner Astra kann ich Gitarrist Munaf ein paar Fragen stellen.

Ich lese oft, dass ihr immer wieder gefragt werdet, warum es keinen Gesang bei euren Stücken gibt. Ist das nach wie vor so?

Ich denke, nach fast 24 Jahren hat sich diese Frage etwas erledigt. Es gibt nur wenige Leute, für die das ein Thema ist, die meisten verstehen inzwischen, das wir nicht singen.

In Bezug auf das neue Album „End“ waren erste Reaktionen: EITS hören auf. Ihr habt aber schnell klargestellt, dem ist nicht so.
Uns war von vornherein klar, dass der Titel zu Spekulationen führen wird. Aber wir haben gleich nach dem Erscheinen der Platte erklärt, es handelt sich ganz simpel um den Namen des Albums. Damit verbunden sind Themen wie das Ende von Freundschaften, Beziehungen oder Existenzen, aber auch daraus Entstehendes, wie Neuanfänge oder zu schauen, was sonst noch am Wegesrand ist. Wir hätten das Album auch „Beginning“ nennen können, es wäre thematisch ähnlich geblieben.

Ein Lied heißt „Moving“, das ist ähnlich wie „Beginning“.
Ja, genau. Wir sind fähig, uns durch etwas zu bewegen und vorwärts zu kommen, das kann durch neue Ideen oder Gefühle entstehen. Somit ist ein Ende auch ein Anfang.

Wie seid ihr auf das Konzept gekommen?
Im Vorfeld hatten wir viele Diskussionen, wohin der Pfad führen könnte. Tod, Ende, ein Zustand, dass etwas fertig oder erledigt ist, das waren Themen. Bei „End“ gingen die Lichter in unseren Köpfen am meisten an, dann kam das Cover von einem Wandmaler in Detroit sehr passend dazu. Im Studio stand der Titel des Albums dann schnell fest.

Der Titel war schon da, ehe die Songs fertig waren?
Ja, in der Mitte der Aufnahmen. Wir hatten unsere Demos und ein paar verschiedene Ideen zu weiteren Songs. Eines Nachts im Studio hatten wir eine lange Diskussion, bis wir uns auf den Namen einigten.

Ihr habt den Ruf, eine sehr demokratische Gruppe zu sein. Wenn jemand von euch einen Song nicht mag, fliegt der raus und kommt nicht auf die Platte.
Ja, das ist so. Wir entscheiden gleichzeitig und gleichberechtigt. Wenn einer von uns sich nicht gut fühlt mit dem Klang, der Idee oder sonst etwas, machen wir es nicht. Und wir diskutieren so lange, bis eine Einigung gefunden ist, mit der wir alle vier zufrieden sind. Das machen wir seit 24 Jahren so.

Befreundet seid ihr bereits seit euren Jugendtagen in Austin. Jetzt wohnt ihr in drei verschiedenen Städten. Wie arbeitet ihr als Band?
Da wir im digitalen Zeitalter leben, schicken wir uns verschiedene Ideen und Melodien zu. Wir sprechen uns fast täglich und zeigen einander genauso oft, woran wir gerade arbeiten. Während der Pandemie hatten wir einmal pro Woche ein gemeinsames Zoom-Meeting, auch um unser Zusammengehörigkeitsgefühl zu erhalten. Außerdem treffen wir uns einmal pro Monat in Austin für fünf Tage und proben zusammen. Das haben wir jetzt wieder knapp zwei Jahre getan. Es fühlt sich an wie ein Haus, das wir zusammen bauen.

Gibt es ein starkes freundschaftliches Band und großes Verständnis dafür, wie die anderen ticken? Wie beeinflusst das eure Arbeit?
Ja das gibt es, absolut. Wir sind sehr familiär und kennen von jedem die Vorlieben und Abneigungen. Wenn wir eine Melodie schreiben, wissen wir schon im Vorfeld, wer es mögen wird und wer vielleicht nicht. Ich präsentiere meine Ideen gerne, auch wenn ich weiß, dass sie nicht immer auf Zustimmung stoßen. Mir ist schon vorher klar, Michael wird dieses gut finden und Chris jenes, ich habe schon eine gewisse Vorstellung davon, was er mit seinen Drums daraus machen wird. Die drei anderen ticken ganz ähnlich.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Albumthema und der vorausgegangenen Epidemie?
Ganz sicher. Es hat jeden von uns beeinflusst, auch in der Art, wie wir Lieder schreiben. Jeder hat damit seine ganz eigenen Erfahrungen gesammelt. Das Thema hat Einzug in die neuen Songs gefunden, auch als Reflexion der schwierigen Zeit, durch die wir alle gegangen sind. Das Album handelt definitiv nicht spezifisch von Corona und ist auch nicht direkt politisch, aber es ist klar, in welcher Zeit es entstanden ist, und es greift das Thema und auch die politische Stimmung auf.

Weißt du meistens, wovon ein Song handelt, oder ist das auch für dich mal offen?
Wir haben oft eigene Storys für die Songs und erzählen sie uns gegenseitig, auch wie und warum wir die Musik oder das Thema in eine bestimmte Richtung schieben möchten. Die Schönheit instrumentaler Musik basiert auf der Offenheit für Interpretationen. Es kann für dich etwas anderes bedeuten als für mich, wir können auch einen alternativen Blickwinkel auf das gleiche Thema haben.

Ihr habt einige Scores für Filme geschrieben. Was macht einen Film für dich so interessant, dass du Musik beisteuern möchtest? Würdest du auch Tracks für eine Komödie schreiben?
Wir lieben wirklich Komik, aber Musik dazu schreiben würden wir eher nicht. Unsere Sachen passen besser zu Dramen und Dokumentationen. Da fühlen wir uns besser in der Lage, bedeutungsvolle Stücke beizusteuern, die etwas mit dem Gezeigten zu tun haben. Wir sind aber sehr offen für jede Form von Film, so lange eine bestimmte Qualität vorliegt und wir alle vier etwas mit der Idee oder dem Script anfangen können.

Ist die Komposition von Filmmusik etwas anderes, als Songs für EITS zu schreiben?
Es ist anders und ein bisschen einfacher. Manchmal hat ein Regisseur bestimmte Sounds im Kopf, wir versuchen dann, diesen Ideen zu folgen. Ansonsten fangen wir an zu experimentieren und Musik zu schreiben, je nachdem, was jeder von uns zu der Story und dem Script fühlt. Oft werden wir angeheuert, weil wir schon so lange zusammen in einer Band sind und etliche Scores geschrieben haben. Wenn wir ein eigenes Album schreiben, ist der Anspruch noch höher und schwieriger zu erreichen, weil wir jedes Mal versuchen, etwas noch Besseres zu schaffen als zuvor. Wenn du dein eigener Kritiker bist, ist es gar nicht so einfach, über die Messlatte zu springen, weil du eben sehr speziell sein willst.

Siehst du demnach eine rote Linie in eurer Historie, was die Qualität eurer Alben angeht?
Natürlich, besonders mit diesem Album. Wir waren eine Weile in England und ein Freund von uns fragte, wie es uns mit dem neuen Album geht, verglichen mit denen davor, und Mark und ich sagten sofort, es ist die Nummer eins unseres Outputs. Es sind mindestens drei Tracks dabei, von denen ich denke, das sind die besten Kompositionen, die wir jemals geschrieben haben, das betrifft den Flow, die Melodien und die vielen Wechsel der Instrumentierung.

Wenn du Fremde triffst und erzählst, du machst Musik in einer Instrumentalband, wie reagieren sie?
Falls die Leute die Band kennen, erstarren sie kurz. Die Band ist bekannt, aber wir Musiker sind es nicht. Leute, die keinen direkten Bezug zu dieser Musik haben, finden das Ganze oft romantisch: um die Welt touren und Alben rausbringen. Ich vergesse manchmal, wie viel Glück wir hatten. Die Perspektive der anderen erinnert mich wieder daran.

Ich las in einem sehr alten Interview, dass du gerne mal gefragt würdest, was neben der Musik am wichtigsten für dich ist. Deshalb frage ich das jetzt.
Das ist einfach zu beantworten: Liebe und Freundschaft. Freunde wie meine, innerhalb und außerhalb der Musik, sind das Größte. Das Ganze mit unseren Partnern, Kindern und Freunden zu erleben. Die erfüllendsten Dinge im Leben sind Freundschaft, Liebe und Musik.