FRANK BRETSCHNEIDER

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Maschinenmusik

Frank Bretschneider war nicht nur zu DDR-Zeiten eines der Gründungsmitglieder der legendären ostdeutschen Kultband AG.GEIGE, sondern er ist bis heute mit ungewöhnlichen Projekten und mit elektronischer Musik jenseits des Mainstreams seinen eigenen Weg gegangen. Ich traf den sympathischen Wahlberliner, der eigentlich aus Chemnitz stammt, im Rahmen des mehrwöchigen Keroxeen-Festivals in Santa Cruz, der Hauptstadt der Kanareninsel Teneriffa, wo er einer der Künstler des Berliner Labels Rastermusic war. Das Festival bietet dank der ungewöhnlichen Location inmitten der 500.000-Einwohner-Stadt, einem ehemaligen Gastank, der rund und zwanzig Meter hoch ist, die perfekte Kulisse für Bretschneiders Videoprojektionen. Bretschneider ist ein sehr freundlicher Gesprächspartner, der bei aller Zurückhaltung hinter seinen Laptop und zahlreichen Filtern und Pulten auch auf der Bühne spannend zu agieren versteht.

Wie kam es damals dazu, dass in der DDR eine Szene für elektronische Musik entstand? Welche Instrumente gab es?

Ich war immer ein Musikfan, bin mit britischen und US-Rockbands wie ROLLING STONES und LED ZEPPELIN groß geworden. Aber ich kann bis heute keine Noten lesen und kein Instrument spielen, also war ich Musik-Fan, ohne selber Musik zu machen, bis dann Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger auch im Osten die Punk-Wave-Welle ankam ... mit elektronischem Equipment und DIY-Spirit.

War es nicht schwierig, an Synthies zu kommen?
Einfach war es jedenfalls nicht. Ich hatte eine große Plattenkollektion und habe diese verkauft, um mir davon einen Korg-MS 20-Synthie aus dritter Hand kaufen zu können, über Umwege von einer Band. Das war alles, was ich mir damals leisten konnte. Der hatte einen Riesenkratzer, war aber gut in Schuss, und auch wenn man währungsmäßig umrechnet, war der Kurs ähnlich wie zu der Zeit im Westen. Ich habe dann auch drei Tonband-Maschinen aufgetrieben und von irgendwelchen Bulgaren noch ein UHR Gerät sowie Tascam, und angefangen, Loops aufzunehmen und eine Secondhand-Gitarre slow speed dann down speed abzuspielen und damit zu experimentieren. Für einen Sequenzer fehlte mir das Geld. Ich habe dann ein kleines Kassettenlabel gegründet. Ich habe Kunst studiert, Freunde eingeladen zu Jams, bei denen sich nach und nach so etwas wie Tracks formten. So entstand die Band. Jan war beim Schauspielhaus, so wurde die Band bekannt. Unser Tape wurde dann beim legendären Ost-Radiosender DT64 gespielt, wo man so was einfach hinschicken konnte, und wir wurden die Ersten im Jahrespoll. Das ergab, wenn auch vielleicht drei Jahre später als im Westen, im Osten eine ähnliche New-Wave-Pop-Welle. Das DDR-Staatslabel Amiga brachte noch 1989 eine Platte von uns raus. Das war trotz elektronischer Elemente typischer Wave-Pop mit Lyrics und ziemlich erfolgreich. Dann kam die Wende und für Ost-Bands war das erst mal scheiße. Wir hatten allerdings ganz gutes Equipment und konnten im Westen spielen. Aber ich hatte den ganzen Pop-Rock-Kontext satt, und dann kamen langsam Tekkno und Acid auf. Natürlich gab es auch da wieder viel Gutes neben unglaublich schrecklichen Sachen. Ich wollte immer einen Mittelweg finden, nicht die Massen bedienen. Eine intelligente Art, Musik zu machen. Mir ist wichtig, einen eigenen Weg zu finden, der nicht um jeden Preis massenkompatibel ist. Die andere Idee war, das Studio als Instrument zu nutzen, denn live, wie du auch heute gesehen hast, bewege ich mich ja kaum.

Aber auch wenn du etwas schüchtern wirkst, reagierst du doch auf dein Publikum und erscheinst, im Gegensatz zu einigen Berghain-Tekkno-Artists, viel weniger steril. Neben deinen Visuals wirkt auch dein Set nicht wie eine abgespielte Laptop-Playlist wie bei so vielen anderen.
Ich halte es für ein berechtigtes Anliegen, das Publikum zu fordern und nicht nur zu bedienen. Ich muss mich selber aber auch immer neu fordern und neu erfinden. Deswegen bin ich wohl auch immer noch unterwegs.

Du arbeitest neben digital wie heute ja auch mit analogen Synthies. Wie siehst du die Diskussion darüber?
Ich halte sie für völlig übertrieben. Klar gibt es Unterschiede im Sound, letztlich ist es aber Maschinenmusik. Mir ist wichtig, was ich da raushole, völlig wurscht, ob analog oder digital.

Du arbeitest ja auch an diversen Projekten mit wie bei „Lunik“. Wie kam es zu der Arbeit mit der Musik des 2011 verstorbenen deutschen Elektronikpioniers Conrad Schnitzler, der 1970 am TANGERINE DREAM-Debütalbum „Electronic Meditation“ beteiligt war?
Ich wurde von dem Label Bureau B angefragt und habe dann über seine Frau Sounds bekommen. Die hätte ich selbst so nie gemacht und das war das Spannende daran. Ich fragte mich: Was stellst du jetzt damit an?

Wie viel ist live bei dir improvisiert?
Ich arbeite mit Midi und triggere dann vorprogrammierte Patterns an, aber die Zusammensetzung ist frei. Es sind minimale Veränderungen, subtil merkt man das und es wirkt dadurch fast schon psychedelisch. Ich setze ja auch Breaks und Filter ein. Bei meinen Visuals dazu ist es ja ähnlich minimalistische Op-Art.

Arbeitest du wie viele andere auch für TV, Film und Theater?
Eher selten. Ich bekomme zwar viele Anfragen, unter anderem für Tanz- und Ballet-Produktionen aus den USA und Australien, und habe vor drei Jahren für die deutsche Oper in Berlin etwas gemacht, aber ich bin kein Freund von Auftragsarbeiten, wo ein Regisseur Vorgaben macht. Ich arbeite lieber frei und für mich.