GREG ANTISTA & THE LONELY STREETS

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The story of my life

Greg Antista ist einer von jenen Musikern, die nicht unbedingt in der ersten Reihe stehen, doch wenn man mal seine Plattensammlung durchschaut, wird man auf einigen Cover-Rückseiten seinen Namen entdecken. Mit seiner aktuellen Band, deren neues Album „Under The Neon Heat“ gerade erschienen ist, hat er mit anderen Orange-County-Punklegenden seinen Platz gefunden, irgendwo zwischen ADOLESCENTS und SOCIAL DISTORTION.

Greg, wie, wann und wo bist du zum Punkrock gekommen?

Ich hatte das Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, als die Punk-Szene in Südkalifornien in den späten Siebziger, frühen Achtziger Jahren explodierte: in Orange County, Kalifornien. ADOLESCENTS, AGENT ORANGE und SOCIAL DISTORTION gründeten sich alle an meiner Highschool, und nachdem ich ihnen ein paar Jahre lang zugeschaut hatte, schnappte ich mir eine Bassgitarre und gründete meine eigene Band. Ich hatte dann später das Glück, viele Male mit meiner anderen Band FOXY durch Europa zu touren. Punkmusik hat meine Werte geprägt und wie ich die Welt betrachte. Seit ich meine erste Band gegründet habe, habe ich nie einen Job angenommen, der mir beim Touren in die Quere kommen könnte.

Deine aktuelle Band sind THE LONELY STREETS.
Wir sind alle schon unser Leben lang Freunde. Mit unserem Gitarristen Frank Agnew bin ich seit der ersten ADOLESCENTS-Probe, die ich in der Garage seiner Eltern besucht habe, eng befreundet. Unseren Bassisten Warren kenne ich seit den Neunzigern, als meine Band JOYRIDE mal mit seiner Band THE CADILLAC TRAMPS spielte. Jorge ist ein guter Freund und ein legendärer Schlagzeuger in Orange County. Er hat bei zig Bands gespielt und ist als einer der härtesten Drummer in der Szene bekannt.

Was waren, was sind deine offensichtlichen und weniger offensichtlichen musikalischen Einflüsse und Inspirationen?
Frank hat immer gesagt, obwohl die bekannten Orange-County-Bands sich alle gegenseitig beeinflusst haben, dass der Sound der ADOLESCENTS eigentlich aus ihrer Bewunderung für die BEATLES und Iggy Pop entstand. Ich denke, Frank bringt diese musikalische Sensibilität auch zu den LONELY STREETS. Was mich betrifft, so habe ich immer nach der direkten Einfachheit der RAMONES und dem ehrlichen Storytelling von Johnny Cash gestrebt. In der zweiten Hälfte der Neunziger Jahre arbeitete ich an der Bar in einem lokalen Rockclub namens The Doll Hut. Es war in Orange County der beste Live-Treffpunkt für Punk- und Roots-Rock-Bands und solche, die beide Genres mischten, wie THE REVEREND HORTON HEAT und BIG SANDY & HIS FLY-RITE BOYS. Ich entwickelte eine neue Wertschätzung für Rockabilly und „Cowpunk“, und ich habe das Gefühl, dass diese Sounds bei den LONELY STREETS mehr vorherrschen als in meinen vorherigen Bands.

„Down on Commonwealth“ scheint ein wichtiger Song auf deinem neuen Album zu sein. Kannst du uns etwas über den Hintergrund erzählen?
Im Guten wie im Schlechten denke ich, dass wir alle erkennen müssen, wie wir von den Orten, an denen wir aufgewachsen sind, und den Menschen, die uns in diesen Jahren umgeben haben, geprägt wurden. Es ist nicht etwas, das man sich aussucht, es ist etwas, das einem passiert. „Down on Commonwealth“ fasst all diese Gefühle über meine Jugend zusammen. Meine Heimatstadt Fullerton ist eine konservative Universitätsstadt der Arbeiterklasse in Südkalifornien. Da es eine Universitätsstadt ist, hatte Fullerton schon immer eine rebellische Seite. Die Polizei hat hier immer schon mit harter Hand für Ordnung gesorgt, was 2011 seinen Höhepunkt fand, als sechs von ihnen einen Obdachlosen namens Kelly Thomas zu Tode prügelten, während dieser um Gnade flehte. Kelly wird in „Down on Commonwealth“ erwähnt. Das ist die dunkle Seite von Fullerton. Auf der anderen Seite war Fullerton die Heimat von Leo Fenders erster E-Gitarren-Fabrik, und Orange County hat eine lebendige Rock’n’Roll-Szene, seit dieser Sound in den Fünfziger Jahren entstand. „Down on Commonwealth“ ist meine Reminiszenz an das Aufwachsen in der lokalen Punk-Szene. Die Kreuzung von Harbor Boulevard und Commonwealth Avenue ist das Epizentrum von all dem gewesen. Es war die Heimat der ersten Bars, in die wir uns als Teenager schlichen, und der Läden, wo wir unsere ersten Gitarren kauften. Wir alle haben schöne Erinnerungen daran, wie wir „The Rocky Horror Picture Show“, „Suburbia“, „The Decline of Western Civilization“ und „Rude Boy“ mit THE CLASH im Kino sahen. Alles was ich heute bin, kann auf mein Leben in Fullerton zurückgeführt werden.

Natürlich bin ich auch an der Geschichte hinter „Tijuana jail“ interessiert ...
Für diejenigen, die es vielleicht nicht wissen: Tijuana ist die Hauptgrenzstadt auf der mexikanischen Seite der kalifornisch-mexikanischen Grenze, bei San Diego. Tijuana hatte schon immer einen wilden Ruf, und es war lange Zeit ein Ritus für Jugendliche und junge Erwachsene aus Südkalifornien, über das Wochenende dorthin zu fahren. Das Mindestalter für Alkoholkonsum war nicht so streng und die Punk-Shows im Iguana’s waren immer verrückt. Ich hatte immer das Glück, meinen Spaß zu haben, ohne in eine Ausnüchterungszelle gesteckt zu werden. „Tijuana jail“ ist die wahre Geschichte von meinem Freund Trevor, der nicht so viel Glück hatte.

Auf dem letzten Album hattest du den Song „Finally say goodbye“ – deine Lebensgeschichte?
Ja, leider ist „Finally say goodbye“ eine wahre Geschichte über eine meiner Beziehungen. Der Text geht so: „You wanna pick a fight / I’m gonna say goodnight / Got better places to be.“ Ich denke, wir alle müssen ein paar weniger ideale Partner ertragen, damit wir die richtige Person voll und ganz schätzen können, wenn sie uns über den Weg läuft. Bei Live-Shows sagen mir immer alle, wie viel Spaß der Song macht. Ich schätze, sie haben sich den Text noch nie richtig angesehen, haha.

Euer Debütalbum „Shake, Stomp And Stumble“ aus dem Jahr 2019 wurde in eurem Presseinfo beschrieben als „Schnappschuss aus dem Leben derer, die die Punk-Explosion der Achtziger überlebt haben“. War Punk in euren Kreisen wirklich so zerstörerisch?
Vielleicht weil sie den Exzessen der Rockszene von Los Angeles in den Siebziger Jahren entsprungen ist, war die südkalifornische Punk-Szene der späten Siebziger und frühen Achtziger stark von harten Drogen wie Heroin geprägt. Meine Bandkollegen und ich haben so viele enge Freunde und inspirierende Musiker durch Drogen verloren als Nachwirkung dieser Jahre. Die Punk-Szene hat schon immer Menschen mit einer „Live for today“-Einstellung angezogen, aber ich glaube, wir haben einige Lektionen aus der Vergangenheit gelernt und hoffentlich wird unsere Szene nicht mehr so viele Leute verlieren wie in der Vergangenheit.

In der deutschen Punk-Szene wurde kürzlich im Rahmen der People of Color-Debatte diskutiert – oder besser: behauptet –, dass auch die Punk-Szene von Rassismus durchzogen ist. Ein Teil dieser Diskussion spiegelte sich in der Aussage von Fat Mike in einem Ox-Interview wider, in dem er sagt, dass er die kalifornische Punk-Szene für nicht rassistisch und eher inklusiv hält, da ihre Mitglieder aus allen möglichen ethnischen/kulturellen Hintergründen kommen. Basierend auf deinen Erfahrungen in dieser Szene, was ist dein Kommentar dazu?
Ich würde zustimmen, dass die kalifornische Punk-Szene im Großen und Ganzen immer vielfältig und inklusiv war. Unsere kleine Fullerton-Szene bestand aus Hetero- und Schwulen-Kids jeder Ethnie. Wenn wir uns die SoCal-Punk-Szene in einer größeren Dimension anschauen, gab es da immer Kämpfe mit Kids aus anderen Städten, aber dabei ging es nie um „Rasse“. Wenn wir uns Konzerte von DEAD KENNEDYS oder BAD BRAINS anschauten, kann ich mich nicht erinnern, dass irgendjemand dachte, es sei seltsam, dass Schwarze Punkrock spielten. Es ist etwas Wahres dran am Ruf der Kalifornier, dass sie entspannter seien als andere Amerikaner, und das hat wahrscheinlich etwas damit zu tun. Ich erinnere mich jedoch an einen Typen in unserer Szene, der bisweilen rassistischen Scheiß losließ – und dafür verachtet wurde. Punkrock hat schon immer eine Menge Außenseiter angezogen, und ich glaube, im Allgemeinen zeigen Außenseiter viel Empathie gegenüber anderen Außenseitern.

Wie fühlt es sich an, in einem – vorerst – Post-Trump-Amerika zu leben?
Seit ich das erste Mal eine CLASH-Platte gehört habe, habe ich nie einem Politiker getraut. Sie sind ein notwendiges Übel. Mir ist klar, dass sie größtenteils voller Scheiße sind und immer das tun werden, was in ihrem besten Interesse ist, egal wer dabei zu Schaden kommt. Trump hat es auf die Spitze getrieben – er war eine Schande für das ganze Land, seine Präsidentschaft wird als Tiefpunkt für die USA in die Geschichte eingehen wird. Es kann Jahre dauern, bis wir den ganzen Schaden erkennen, den er angerichtet hat. Wir brauchen mehr Leute wie Obama und die Kennedys – die waren und sind nicht perfekt, aber zumindest haben sie es versucht. Wenn wir doch nur Leute wie John Lennon oder Joe Strummer wählen könnten!