HAMMERHEAD: HEADBERT

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Was macht eigentlich ...?

Norbert, du bist 2021 bei HAMMERHEAD ausgestiegen. Wie geht es dir drei Jahre später mit dieser Entscheidung, damit dreißig Jahre seines Lebens abgeschlossen zu haben?
Das war nach über dreißig Jahren sicher kein leichter Schritt, aber für mich ein richtiger. Die Band und die Leute darin und drumherum haben mir über die Jahrzehnte viel gegeben und diese Erfahrungen werden mir immer präsent bleiben. Dafür bin ich dankbar und daher ist das auch niemals abgeschlossen. Auf der anderen Seite zieht eine Band auch immer ein Stück Energie und bedeutet Fremdbestimmung. Irgendwann war bei mir so ein – neudeutsch gesagt – „Kipppunkt“ erreicht, an dem ich festgestellt habe, dass die Band bei mir mehr zieht als gibt. Ich musste den Kopf für andere Sachen frei bekommen. Eine der konkreten Ursachen war sicher, dass ich vor acht Jahren meinen Alkoholkonsum eingestellt habe und seitdem auch sonst SxE bin. Sich das alles nüchtern zu geben, hat über die Zeit die Sicht auf das ganze Drumherum des Bandlebens auf Dauer verändert. Das brauche ich einfach nicht mehr.

Verfolgst du noch die Aktivitäten deiner Bandkollegen, seid ihr in Kontakt? David erzählte, du hättest ihn in deine Gitarrenparts eingeführt, Ralf von Holy Goat sagte, du seist ihm bei der Vorbereitung von Nachpressungen behilflich gewesen.
Ich fühle mich HAMMERHEAD nach wie vor eng verbunden. Jahrzehntelange leidenschaftliche Aktivität streift man nicht in ein paar Monaten ab. Ich bin froh, dass die anderen weitermachen. So muss ich mir nicht vorwerfen, dass sich die Band wegen mir aufgelöst hätte. Wie wir alle wissen, sind die Friedhöfe voll mit unersetzlichen Leuten. Mit David habe ich eine Übergabe gemacht, die war aber eher wichtig, um ihm zu signalisieren, dass ich es cool finde, dass er meinen Part übernommen hat, als dass ich ihm die Gitarrengriffe zeigen musste. Das hat er schon selber hinbekommen. Da ich organisatorisch und releasetechnisch recht viel für die Band gemacht habe, habe ich die Sachen natürlich so gut ich konnte an die anderen Bandmitglieder und an Ralf von Holy Goat übergeben. Aktiv bin ich also raus, werde aber freundlicherweise von der Band über vieles unterrichtet.

Was hältst du vom neuen Album? Ein paar der Songs sind ja wohl schon so alt, dass du noch an deren Entstehung beteiligt gewesen sein dürftest.
Meiner Meinung nach haben meine alten Bandkollegen zwei gute Entscheidungen getroffen: David zu fragen, ob er mitmacht und das Album bei Holy Goat herauszubringen. David ist ein guter Typ, der von außen betrachtet mit seiner Persönlichkeit noch mal neue Dynamik in die Bandkonstellation gebracht hat. Mit mir traten wir meines Erachtens zuletzt doch etwas auf der Stelle. Mein Weggang hat sicher einige Kräfte freigesetzt. Es war, glaube ich, ganz clever, jemanden mit reinzunehmen, der nicht aus dem engsten Umfeld der Band stammt und der auch künstlerisch selber schon einiges auf die Kette bekommen hat. Und Holy Goat ist ein Hardcore-Label vom alten Schlage „Network of Friends“. Ralf hat HAMMERHEAD in den letzten Jahren begleitet und unterstützt. Das passt. Er ist ein total integrer, eigenständiger und witziger Typ. Absolut folgerichtig, dass er das neue Album herausbringt! Bewerten sollen die Platte andere kompetente Leute. Da bin ich von der involvierten Seitenlinienperspektive her sicher der ungeeignetste Kandidat überhaupt. Ich finde es super, dass die ein neues Album gemacht haben.

Du hast dir mit dem Ende 2023 eröffneten „Stromgitarrenladen“ in Wuppertal einen Traum erfüllt und handelst mit ... Stromgitarren. Wie kam es dazu? Gemeinhin unterstellt man Punk-Gitarristen eher weniger eine große Technikverliebtheit ...
Technikverliebt bin auch ich nicht. Aber vielleicht ist dir schon mal aufgefallen, dass in jeder einzelnen Ox-Ausgabe mit allen Interviews, Reviews und Berichten sicher über tausend Gitarren/Bässe/Instrumentalist:innen involviert sind. Und die wünschen sich alle einen coolen und freundlichen Ort, an den sie sich mit ihren Gitarrenangelegenheiten wenden können. Und das ohne sich bescheuert vorkommen zu müssen, weil man „nur“ drei hoch, drei runter spielt. Du glaubst nicht, wie viele Leute bei mir in den Laden kommen und sich erst einmal entschuldigen, wie schlecht sie spielen. Ich frage mich, woher dieser Komplex kommt. Ist doch scheißegal, wie jemand spielt, solange er oder sie da Bock drauf hat. Was wäre denn Punk ohne die Leute, die „schlecht“ spielen? Ein langweiliger Rock-Scheißdreck! Ich habe da jetzt einen Laden aufgemacht, wie ich ihn mir selber immer gewünscht hätte.

Was ist die Idee, das Konzept dahinter?
Ich mache An- und Verkauf von gebrauchten E-Gitarren, Bässen, Amps und Pedalen. Außerdem gibt’s bei uns einen Reparaturservice für E-Gitarren und Bässe, der eigentlich alles umfasst. An meiner Seite ist im Stromgitarrenladen Reiner Bigge tätig, der wahrscheinlich einer der besten und erfahrensten E-Gitarrenbauer Deutschlands ist. Der hat jahrzehntelang für renommierte E-Gitarrenhersteller gearbeitet und will jetzt ohne Druck auch nur noch das machen, worauf er Bock hat. Es gibt grundsätzlich wohl kaum einen Gegenstand, der geeigneter für den Gebrauchthandel ist, als E-Gitarren. Die Qualität und der Wert von guten Instrumenten nimmt mit zunehmenden Alter ja eher zu als ab. Dazu kommt bei mir sicher auch der Nachhaltigkeitsgedanke, gute gebrauchte Dinge zu erhalten und nutzen.

Woher kommt die Ware?
Das Ankaufen ist eigentlich noch spannender als der Verkauf. Grundsätzlich sind alle Wege offen: Kund:innen bringen mir Instrumente in den Laden, von Onlineplattformen und Musiker-Flohmärkten. Außerdem suche ich aktiv ältere Leute, die ihre Gitarren aus den Sechziger, Siebziger oder Achtziger Jahren noch besitzen und nichts mehr damit anfangen können. Das ist wie eine kleine Schatzsuche, die mit schönen oder auch tragischen biografischen Geschichten verbunden ist. Das ist immer auch ein Akt des Loslassens eines vergangenen Lebensabschnitts. Da bin ich dank meiner eigenen oben beschriebenen Erfahrung gerne behilflich.

Und was ist die Idee für den Laden? Da finden ja auch im kleinen Rahmen Konzerte statt.
Wenn man schon mal ein Ladenlokal hat, war für mich klar, dass der Raum auch kulturell genutzt werden sollte. Ich muss immer irgendwas organisieren und connecten. Zur Ladeneröffnung habe ich ein kleines Festival mit fünf Solokünstlern organisiert. Und vor ein paar Wochen trat Saba Lou auf, was total super war. Von der Atmosphäre her muss man sich das wie ein kleines Wohnzimmer vorstellen, das etwa 25 Leute fasst, mit Kronleuchter und Mini-Bühne, alternativ-elitär. Ähnlich wie das Wohnzimmer des Cow Club in Solingen, nur noch kleiner. Den Briller Stromgitarrenladen sehe ich in erster Linie als mein persönliches Refugium, als Begegnungs- und Kulturort. Und wenn ich dabei noch eine Gitarre verkaufe oder jemanden mit der Reparatur seines kaputten Instruments helfen kann, ist das auch gut. Geld verdiene ich sowieso mehr mit Onlineverkäufen.