HAMMERHEAD: HOLY GOAT RECORDS

Foto© by Joachim Hiller

Wie Ralf Nowack der Labelboss von HAMMERHEAD wurde

Ralf vom Kölner DIY-Label Holy Goat Records kenne ich seit vielen Jahren, die Verbindung kam über Carsten von BLANK und KONTROLLE. Ich wusste, dass er seit einer ganzen Weile schon der Mercher und Tourfahrer von HAMMERHEAD ist, und als er mir dann erzählte, dass er das neue Album der Band, „Nachdenken über Deutschland“, veröffentlichen werde, überraschte das nicht. Einen Tag nach Tobias und David saß mir der Herr der Ziegen im Ox-HQ zum Interview gegenüber.

Seit wann machst du dein Label?

2023 feierte ich mein Zehnjähriges! Seit 2013 mache ich das. Ich habe damals Freunden ausgeholfen, die eine Platte rausbringen wollten, aber das Startkapital für eine Pressung, nicht selbst aufbringen konnten. WOLVES REIGN waren das, die wird man heute wohl nicht mehr kennen. Ich bin auf sehr vielen Platten sitzen geblieben, hatte aber sehr viel Arbeit reingesteckt. Es war eine einseitig bespielte 12“ mit Siebdruck, das war ein Haufen Arbeit.

Klassisch DIY also: Wenn es sonst niemand macht, mach ich es halt selbst, mit viel Handarbeit. Wie wichtig ist dir dieser DIY-Kontext, der relativ wolkig über solchen Dingen schwebt und durchaus als Unterscheidung dient zu anderen Label-Aktivitäten, wo Leute das vielleicht eher kommerziell sehen?
Gute Frage ... Wie soll ich das sagen? Also, mir ist es extrem wichtig. Ich finde es wichtig, dass diejenigen, die die Platten kaufen, immer erkennen können, da hat sich jemand Gedanken und Mühe gemacht und hat vielleicht hier noch ein Stempelchen drauf gedrückt oder was gefaltet und gefalzt. Mir ist wichtig, dass man sieht, dass viel Liebe zum Detail und Herzblut mitschwingt. Ich habe keine anderen Hobbys und stecke da viel Energie rein. Beim 10“-Labelsampler habe ich die Cover selber geschnitten, gefalzt, geklebt, das Loch reingeschnitten, gestempelt ... Ich glaube, ich habe Spaß am Basteln. Und wenn ich die Platten „stricken“ könnte, würde ich auch die selber machen.

Ein Männerhobby ... Hast du eine Idee, warum es so wenige Labels von und mit weiblich gelesenen Personen gibt?
Weiß ich nicht, dafür habe ich keine Erklärung. Aber es ist mir auch aufgefallen. Mir würde jetzt auch nur Church Road Records aus England einfallen. Ich weiß nicht, woran es liegt. Ja, es ist auffällig und schade. Generell hat man ja in Bands einen absoluten Männerüberschuss, und bei Labels und bei Fanzines noch viel mehr. Ronja vom Plastic Bomb ist da die Einzige, die mir einfällt.

Auch die Band, wegen der du jetzt hier sitzt, ist eine komplett männlich gelesene Gruppe. Wie, wann und wo sind dir HAMMERHEAD das erste Mal untergekommen als „Konsument“?
Das kann ich nicht an irgendeinem Ereignis festmachen. Ich bin auf die Konzerte gegangen und die fand ich immer gut, aber es gab kein Schlüsselerlebnis. Ich bin aus Köln, und ich kannte den Ron schon länger, so vom vor der Tür rumstehen irgendwo, Mist erzählen, Bierchen trinken. Und irgendwann habe ich mich mit dem mal nachts so verquatscht und er erzählte, dass sie für die nächsten Konzerte einen Fahrer brauchen: „Hast du Zeit, hast du Bock, hast du einen Führerschein?“ Hab ich, traue ich mir zu, sagte ich, und das haben wir mit ganz vielen Bieren begossen. Ich bin an dem Tag noch ganz schwer mit dem Fahrrad gestürzt, Felge gebrochen, das ganze Gesicht zerkratzt, aber egal. Das war wirklich ein sehr denkwürdigen Abend. Wir haben wirklich einen kompletten Kiosk leer getrunken, dieses Elefantenbier von Carlsberg. Das war schon brutal. Und so habe ich die dann gefahren, und danach habe ich die noch mal gefahren, bin immer weiter gefahren. Damals war Norbert noch in der Band, mit dem hatte ich eigentlich am meisten zu tun. Der hat mir zum Merchverkauf so Listen gegeben, da musste ich einen Strich machen für alles, was ich verkauft habe. Irgendwann war ich dann unausgesprochen der offizielle HAMMERHEAD-Mercher und -Fahrer.

Mit eigenem Bandbus ...
Den habe ich mir nicht nur deswegen gekauft, ich wollte sowieso einen Bus haben für den Urlaub. Aber ich dachte mir, kauf besser mal ein größeres Fahrzeug, dann kannst du auch mal eine andere Band fahren – KONTROLLE zum Beispiel. Gar nicht mal als Geschäftsmodell, sondern einfach, um die Option zu haben. Es war eine sehr gute Investition, und ich werde 2024 auch KMPFSPRT fahren, KONTROLLE sowieso, und BLANK habe ich immer schon viel gefahren. Irgendwie bin ich da so reingerutscht, das hat sich alles immer weiter intensiviert und ausgebaut. Das ist schön, eine sehr positive Entwicklung!

Man muss aber natürlich auch die zeitlichen Möglichkeiten haben, dann da, wo andere Leute in Urlaub fahren oder einen Wochenendtrip mit Partner:in machen, zu sagen: Nee, ich bin da schon wieder von Donnerstag bis Sonntag mit den Jungs unterwegs.
Da bin ich meiner Freundin Sabrina natürlich sehr dankbar, dass sie da so verständnisvoll ist. Ein Teil von meinem Jahresurlaub geht immer für Touren und so was drauf. Aber das ist meine Art, Urlaub zu machen, es macht mir Spaß, unterwegs zu sein und besetzte Häuser und Bauwagenplätze und all so was zu sehen und an Orte zu kommen, wohin man sonst nie kommen würde, wenn man nicht in so einem Bandkontext unterwegs ist. Das hat immer so ein bisschen Klassenfahrt-Charakter, das ist schön, das hält einen jung, würde ich behaupten.

Wie alt bist du?
Ich bin 42.

HAMMERHEAD also. Ich kann mir vorstellen, dass es eine Band ist, an der von der Vergangenheit und der Größenordnung her einige andere, etabliertere Labels durchaus auch interessiert gewesen wären. Stattdessen macht es jetzt ein Label, wo, glaube ich, einige Leute mit „Hä, wer macht die Platte?“ reagieren, oder?
Ja, das glaube ich auch. Das kam einfach dadurch, dass ich die so viel gefahren, mich um den Merch gekümmert und irgendwann, nachdem Norbert ausgestiegen war, auch das Booking übernommen habe. Die sind eher an mich herangetreten, als dass ich sie gefragt hätte, ob ich das Album machen darf. Natürlich hätten die jeden fragen können, da hätte niemand nein gesagt. Man wäre auch bescheuert, so was abzulehnen. Ich habe mich also sehr geehrt gefühlt und mich sehr gefreut und das Angebot natürlich dankend angenommen. Für mich ist es absolut ein Quantensprung, und ohne etwa KONTROLLE kleinzureden, ist das schon eine andere Hausnummer, was die Auflage, was die Vorbestellungen betrifft. Die farbigen Platten waren nach einem Tag schon ausverkauft, das hatte ich noch nie. Das Label wächst, das ist eine schöne Entwicklung.

Bis dahin hatte ja Norbert alias Headbert sich um das quasi bandeigene Label gekümmert.
Der macht das nicht weiter, und ja, es wird eine Nachpressung vom „Weißen Album“ geben, denn das ist völlig ausverkauft. Ebenso wie von „Stay Where The Pepper Grows“, das ist auch eine tragische Geschichte, denn Armin von X-Mist, wo die erschienen war, ist ja 2023 gestorben. Norbert hat mir übrigens, das war ein sentimentaler Moment, diese „Mutterplatten“, die Matrizen vom „Weißen Album“ übergeben. Diese Platte werde ich also nachpressen. Wie das dann mit „Stay Where The Pepper Grows“ läuft, müssen wir mal sehen. Ich wüsste gerade auch nicht, wer die Druckdaten hat. Ich kann nur hoffen, dass die noch irgendwo rumliegen.

Was hast du 2024 du noch vor? Ich habe aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen gehört, dass KONTROLLE im Frühjahr einen Studiotermin gebucht haben ...
Ja, die gehen Ende April ins Studio, und dann wird im Spätsommer oder Herbst das neue Album kommen. Mehr kann ich gar nicht verraten, weil ich auch nicht mehr weiß. Ich möchte 2024 ein Holy Goat-Labelfest machen, das letzte war vor sieben Jahren. Zum zehnjährigen Jubiläum konnte ich nichts machen, wegen Corona. Drei, vier Bands im kleinen Rahmen. am liebsten in Köln. Weitere Releases stehen aktuell nicht an, aber weiß, wenn ich Zeit und Muße habe und mich eine Band anschreibt und den richtigen Ton trifft, sowohl in der Mail als auch musikalisch, bin ich durchaus geneigt, noch was zu machen.

Noch eine Frage zum HAMMERHEAD-Album: Was ist dein Hit auf der Platte?
Das sind 14 Songs und 14 Hits! Ich mag sehr gern „Im Sommer“ und auch „Der Schlossbesitzer“. Müsste ich einen rauspicken, einen „Focus Track“, wie ich von meinem Vertrieb Cargo gelernt habe, würde ich „Im Sommer“ nehmen, der ist eingängig, den kann man mitgrölen. Ich schrieb dazu für den Pressetext: „... hat das Potenzial, ein zeitloser Klassiker wie ‚Ich sauf allein‘ zu werden.“