IEDEREEN

Foto© by Joerg Maas

Hä? Lederriemen?

Bands Fragen zu ihrem Bandnamen zu stellen, ist so lahm. Aber ... manchmal doch interessant. Wenn es zum Beispiel hilft, diesen überhaupt aussprechen zu können. Und wenn er so eng mit der Bandbiografie verknüpft ist wie der von IEDEREEN vom Niederrhein – jener Ecke Deutschlands zwischen Ruhrgebiet und den Niederlanden, links und rechts von A57 und A3. Auf Glitterhouse Records kommt im Februar ihr selbstbetiteltes Debütalbum, das ich auch zum Anlass nahm, neugierige Fragen zu stellen zu den banalen digitalen Aspekten eines Bandlebens. IEDEREEN sind ein Duo, weshalb mit Ron Huefnagels und Tom Sinke 100% der Besetzung geantwortet haben.

Ihr dürftet vielen noch unbekannt sein ...

Ron: Wir heißen Ron und Tom, kennen uns schon seit der Kindheit und machen zusammen Rockmusik in einem Duo namens IEDEREEN. Tom singt und spielt Gitarre und ich sitze am Schlagzeug – eine klassische Rock-Duo Besetzung also. Uns ist es immer schwer gefallen, unsere Musik in ein Genre einzuordnen und haben daher vereinfachend „Rock“ genannt, wenn wir danach gefragt wurden. Diese Antwort befriedigt heute offenbar nur noch wenige Menschen und somit mussten wir lernen zu beschreiben, was wir machen: Schnelle, laute Musik mit deutschen Texten und weichen Stellen. Weich, weil teilweise empfindsam und teilweise verfault. Je mehr Feedback wir bekommen, desto deutlicher wird, dass man uns irgendwo zwischen Post-Punk und Indierock einordnet. Das freut uns, weil wir beide Genres mögen und es uns das Erklären erleichtert.

Simple Frage: Wie spricht man euren Bandnamen aus? Und ist „Hä ...?“ die typische erste Reaktion darauf?
Tom: Ganz selten treffen wir auf eine Person, die niederländische Wurzeln oder in den Niederlande gelebt hat. Deren Reaktion ist wie Balsam für uns, denn in allen anderen Fällen bekommen wir stark verunsicherte Blicke zurückgeworfen, die sich mit „Hä?“ ganz gut beschreiben lassen. IEDEREEN wird ungefähr so ausgesprochen: ih-der-rehn. Zusammengesetzt kann man das R noch ein bisschen wie im Englischen rollen und schon hat man es: IEDEREEN. Aber bloß keine Scheu davor, den Namen falsch auszusprechen. Wir haben schon viel Geiles gehört: Eiderin, Idderen, Idarenn und sogar Lederriemen. Als wir uns den Namen gegeben haben, war er eigentlich nur für uns und unsere Freunde in unserer Heimatstadt nahe der niederländischen Grenze bestimmt. 2018 sollten wir an einem Konzertabend auftreten und brauchten einen Bandnamen, der auf dem Plakat stehen sollte. Im Freundeskreis war das Wort „iedereen“ zu einer Standardantwort geworden, die immer dann kam, wenn jemand fragte, was am Wochenende so geht und wer alles dabei ist: iedereen! Aus dem Niederländischen übersetzt also „jede, jeder, alle“. Das fanden wir damals gut und auch heute mögen wir diese Verbindung so sehr, dass wir uns trotz aller Schwierigkeiten nicht von IEDEREEN trennen wollen.

Worauf könnt ihr euch musikalisch einigen?
Ron: Es geht eigentlich immer um den Moment und das Gefühl, das entsteht, wenn wir einen Song spielen. Dabei ist der körperliche Einsatz ein ganz wichtiger Teil, denn so erleben wir die Songs. Wenn alles im Fluss ist, ist eine Note schnell gespielt, schnell gehört und auch schnell wieder weg. Was länger haften bleibt, ist der Schweiß in den Klamotten und eben dieses Glücksgefühl. Wir merken schnell, wenn etwas gut war, aber wenn wir versuchen, es auf das Musikalische herunterzubrechen, stellen wir oft fest, dass unsere Ohren ganz unterschiedliche Dinge wahrgenommen haben. Im Songwriting versuchen wir die Musik so zu strukturieren, dass sie diese Momente möglich macht. Das heißt konkreter, dass es Spannungsbögen gibt und Strecken, in denen die Spannung freigelassen wird. Wir denken dabei nie ans Studio oder an die Aufnahme des Songs, sondern an das Live-Erlebnis. In unseren Proben üben wir uns auch nicht unbedingt darin, die Songs fehlerfrei zu spielen, sondern diese Energie frei zu machen. Deshalb sind sie häufig eher kleine Konzerte, bei denen wir am Ende des Sets die T-Shirts wechseln müssen, weil wir so viel Gas gegeben haben.
Tom: Diese ganze Idee vom Musikmachen ist natürlich nicht aus heiterem Himmel entstanden, sondern fällt zurück auf unsere musikalische Sozialisierung, bei der Rockbands immer die größte Rolle gespielt haben. Das waren in Teenie-Jahren vor allem GREEN DAY, NIRVANA und alles, was YouTube oder Pirate Bay noch angeboten haben. Die Plattensammlung der Eltern und der Nachbarn hat uns auch scharf auf die Sechziger, Siebziger und Achtziger gemacht und so entstand ein grundsätzliches Interesse daran, die verschiedensten Musiken zu entdecken. Heute hören wir beide ganz unterschiedliche Sachen, haben aber auch viele Überschneidungen. Manchmal dauert es, bis der eine die neue Lieblingsplatte des anderen versteht, aber am Ende können wir dem immer etwas abgewinnen.

Im April seid ihr mir ACHT EIMER HÜHNERHERZEN unterwegs. Was verbindet euch, auf was seid ihr neugierig?
Ron: ACHT EIMER HÜHNERHERZEN sind eine Band, die mein Spotify-Algorithmus irgendwie immer im richtigen Moment ausspuckt und die ich dadurch überhaupt erst kennen gelernt habe. Uns verbindet zunächst einmal eine wirklich angenehme Begegnung auf dem Orange Blossom Special 2022. Beide Bands sind dort aufgetreten und so kamen wir dann backstage ins Gespräch. Es war für uns ein wirklich bereicherndes Erlebnis, da sie uns als Band ernst genommen haben und unseren Auftritt spannend fanden. So was von einer etablierten Band zu hören, war toll und hat uns enorm motiviert. Ich bin am meisten gespannt darauf zu erfahren, wie so eine Tour abläuft, welche Routinen es gibt und wie die Band organisiert ist. Eine Tour von dieser Größe ist für uns absolutes Neuland und ich glaube, da gibt es einiges, was wir lernen können.

Welche Plattformen und Social Networks nutzt ihr als Musiker:innen und Band?
Tom: Instagram, Facebook, unsere Website sowie Bandcamp sind Kanäle, auf denen wir mit Menschen kommunizieren. Darüber hinaus sind wir auf den wesentlichen Streaming-Plattformen mit unserer Musik gelistet. Es gibt auch einen YouTube-Kanal, wir haben uns aber mit den neuen Songs dazu entschieden, die Musikvideos über den Kanal von unserem Label Glitterhouse zu veröffentlichen. Mal sehen, ob wir das zukünftig wieder ändern, aber das Thema Musikvideo ist eh noch mal eine Sache für sich.
Ron: Instagram ist für uns das wesentliche Networking Tool. Die meisten Bands sind da aktiv und die meisten unserer Hörer:innen und Freund:innen auch. Instagram macht es einem leicht, am Ball zu bleiben und Beziehungen zu pflegen. Wir schreiben da mit vielen Leuten privat, können kurze Updates per Story durchgeben oder eben größere Sachen wie Konzerte oder Releases ankündigen. Wir nutzen die Plattform, auch um neue Menschen zu erreichen, haben einmal sogar bezahlte Werbung geschaltet. Das alles ist toll, aber dadurch, dass überall eine Zahl drunter steht, fangen wir automatisch an zu vergleichen und zu bewerten. Das ist stressig und für uns definitiv ein Problem. Wenn man will, dass Instagram seine Beiträge bestmöglich verbreitet, muss man nach dessen Regeln spielen und diese erscheinen uns toxisch. Es hat also Licht- und Schattenseiten. Wenn man von Instagram redet, muss man auch TikTok erwähnen, eine App, mit der wir beide gar keine Berührungspunkte haben. Von dem, was ich höre, glaube ich, dass wir das, was wir an Instagram hassen, auch bei TikTok finden werden. Also an alle, die uns mit ihren gut gemeinten Ratschlägen empfehlen, TikTok beizutreten: Wir sind da raus. Vielleicht nicht für immer, aber vorerst sicherlich. Manchmal träume ich von einer Zukunft, in der Bands sich nicht noch weiter mediatisieren müssen, um wahrgenommen zu werden. Aber ich will auch nicht schwarzmalerisch sein. Wie gesagt, wo Licht ist, ist auch Schatten.

Welche Bedeutung hat der Austausch mit euren Fans via Social Media für eure Kreativarbeit?
Ron: Alle geben etwas rein und dann taucht es in unserem Feed auf. Das ist zwar ein passiver Prozess, den ich dennoch an dieser Stelle mal als den wesentlichen Austausch bezeichnen würde. Wir sehen viele Dinge, die uns inspirieren, und das fließt auch unterbewusst in unsere kreative Arbeit ein. Dass Kommentare, Nachrichten oder Abrufzahlen unser Songwriting beeinflussen, ist bisher nicht passiert, aber in Zukunft per se ausschließen möchte ich das nicht. Wer weiß, welch geiler Scheiß da zustandekommen kann. Wir haben nicht viele Follower, aber die, die wir haben, sind gut drauf.
Tom: Wenn wir konkret an Posts oder Teasern zum Beispiel für Song-Releases arbeiten, orientieren wir uns gerne an Best-Practices, schauen in die Statistiken und versuchen nachzuvollziehen, warum etwas besser funktioniert hat als der Rest. Wobei ich hier zugeben muss, dass die Annahmen und Rückschlüsse, die wir bisher gemacht haben, nie den erhofften Erfolg gebracht haben. Gut möglich also, dass wir uns davon bald abwenden und wieder intuitiver handeln werden.

Welche Apps habt ihr im Gebrauch, um Musik zu machen und zu schreiben?
Ron: Nicht viele. Um genau zu sein: zwei. Die Sprachmemo App von Apple zum aufnehmen von Songskizzen und Jams und Google Docs fürs Texten. Wobei Tom seine Texte eigentlich immer nur mit Stift und Papier schreibt. Weil ich häufig spontan oder aus Langeweile Texte schreibe und mir nicht vorstellen kann, immer ein Notizbuch mit mir herumzutragen, schreibe ich auf dem Handy. Google Docs ist dann einfach praktisch, weil ich später auf dem Laptop bequem weiterschreiben kann. Außerdem habe ich eine schlechte Handschrift und würde mich von der Unordnung, die beim analogen Schreiben entstehen würde, zu sehr ablenken lassen.
Tom: Bevor wir ins Studio gegangen sind, haben wir versucht, vernünftige Demos mit Logic aufzunehmen. Auch wenn das soundtechnisch nicht gut geworden ist, war es dennoch hilfreich, die Songs besser zu verstehen. Ich kann mir vorstellen, dass wir das wieder machen werden, aber dass wir unseren Songwritingprozess darum aufbauen, sehe ich erst mal nicht.

Wie digital oder analog ist eure Musik? Echte Gitarren und Amps versus Emulation?
Ron: Ich glaube, bis auf ein digitales Multieffektgerät von Tom ist alles analog. An meinem Drumset jedenfalls hängen keine Pads, Trigger oder Effekte.
Tom: Unser Setup ist so gestaltet, dass sich möglichst wenig Technik zwischen uns und die Tonerzeugung beziehungsweise den Ausdruck stellt. Ich splitte mein Gitarrensignal auf und schicke eines davon durch einen Octaver in einen Bass Amp und das andere durch ein paar Effekte in den Gitarrenverstärker. Somit haben wir trotz einer Gitarre einen richtig druckvollen Sound. Über einen Footswitch kann ich dann noch die Signale an- und ausschalten, wodurch wir mehr Spannung und Kontrast erzeugen können. Mehr brauchen wir nicht. Viele Bands arbeiten mit Backing-Tracks oder Ähnlichem. Aber das würde uns zu sehr auf der Bühne einschränken, weil nicht wir, sondern der Klick das Tempo, die Intensität und den Ablauf vorgeben würden. Wir mögen die Freiheit, im Moment zu entscheiden, ob wir auf einer Stelle noch länger herum jammen oder ich doch noch mal spontan ins Publikum gehe.

Und welche Apps und Tools nutzt ihr, um eure Touren zu planen und unterwegs zu organisieren?
Ron: Wir haben einen gemeinsamen Kalender, ein gemeinsames E-Mail-Postfach und wenn wir uns nicht persönlich sehen, schreiben wir via Messenger oder telefonieren. Darüber hinaus gibt’s ein Bandkonto bei einer Online-Bank und eine Buchhaltungssoftware, mit der wir Rechnungen schreiben und alle Belege direkt erfassen können. Für den Verkauf von Merch auf Tour haben wir uns ein Kartenlesegerät besorgt, das mit dem Handy verbunden ist und das Leben am Merchstand enorm erleichtert. Ansonsten arbeiten wir mit Google Drive, um Dateien, Pressematerial, Grafiken oder Bilder zu verwalten und bequem an entsprechende Stellen weiterleiten zu können. Grundsätzlich war uns wichtig, dass wir unterwegs alles vom Handy aus erledigen können und nur selten den Laptop aufklappen müssen.