Legendäre Compilations: Jung kaputt spart Altersheime!

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(CD, Nasty Vinyl, 1994)

Hannover 1994. Im Frühjahr beschlossen Horsti und Krapfi vom Hannoveraner Punk-Label Nasty Vinyl, sich einen lang gehegten Traum zu erfüllen – die Veröffentlichung eines Samplers mit ihren Hannoveraner Lieblings-Punkbands. Schon ein halbes Jahr später war die Compilation „Jung kaputt spart Altersheime! Hannover Punk ’78-’84“ mit insgesamt 17 Bands und 26 Songs fertig. Den Anfang machen BÄRCHEN UND DIE MILCHBUBIS mit dem Song, der dem Sampler auch den Namen gab, „Jung kaputt spart Altersheime“. Was seinerzeit mit einem Augenzwinkern gemeint war, sollte in den Achtziger Jahren für viele Punks – wie auch für mich zumindest eine lange Zeit – zum Lebensmotto werden. Auf dem Sampler finden sich bekannte Namen wie HANS-A-PLAST, BLITZKRIEG, BOSKOPS, ROTZKOTZ, CRETINS, ABSTÜRZENDE BRIEFTAUBEN und BLUT+EISEN neben Bands, deren Bekanntheitsgrad nur bedingt über die Hannoveraner Stadtgrenze hinausging wie E-605, UMLEITUNG, ALTE KAMERADEN oder B-TEST. KONDENSATORS mit Konrad Kittner am Bass, der außer mit den Brieftauben hier noch mit zwei weiteren Bands dabei ist, sind eine der ersten Hannoveraner Punkbands und zieren auch das Cover der Compilation.
Nasty Vinyl ist eine abwechslungsreiche und musikalisch spannende Zusammenstellung gelungen. Die Bandbreite reicht von Hardcore-Punk wie „Pogo poppt auf“, dem ersten BLUT+EISEN-Song überhaupt, bis hin zum Fun-Punk von ABSTÜRZENDE BRIEFTAUBEN mit „Frau Meier“, einem Song von ihrem Demotape „Ein Blödmann kommt selten allein“. Und Nasty Vinyl ist es gelungen, neben Klassikern so manches Schätzchen auszugraben, auch wenn das Label zugibt, bei der Auswahl sehr subjektiv vorgegangen zu sein. Das Beiheft erinnert in seiner Aufmachung an alte Punk-Fanzines, was nicht verwundert, gab doch Horsti, der im Jahr 2005 leider viel zu früh verstarb, über Jahre das Inferno-Fanzine heraus. Im Vorwort des Booklets sind Horsti und Krapfi auch selbstkritisch genug, um einzuräumen, dass für eine echte H-Punk-Dokumentation der Jahre 1978 bis 1984 doch noch etliche Bands fehlen wie etwa ENOLA GAY, LE CRASH, ARISTOCATS, KALTWETTERFRONT oder DER MODERNE MAN.
Nichtsdestotrotz gibt „Jung kaputt spart Altersheime!“ einen guten Überblick über die Punk-Szene in Hannover dieser Jahre, zumal eine Compilation, wie sie Weird System mit „Berlin Punk Rock 1977-1989“ zusammenstellte, auch nicht geplant war. Eine Neuauflage des Samplers hat es bis heute noch nicht gegeben, ebensowenig wie eine vollständige Compilation für Punk in Hannover für die Siebziger und Achtziger Jahre überhaupt. Und das ist sehr bedauerlich, hat Punkrock „Made in Hangover“ doch auch im bundesweiten Vergleich eine Bedeutung und war auch sehr abwechslungsreich, wie „Jung kaputt spart Altersheime!“ eindrücklich zeigt.